Unterschleißheim:Knappes Nein zur Sicherheitswacht

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Der Stadtrat diskutiert kontrovers über die Empfehlung der Oberschleißheimer Polizei, Freiwillige auf Streife zu schicken. Auch weil es bereits seit zehn Jahren einen Sicherheitsdienst gibt

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Bürger in Uniform: Freiwillige gehen bei den Sicherheitswachten ehrenamtlich auf Streife. (Foto: Stephan Rumpf)

In der größten Landkreiskommune wird es keine Sicherheitswacht geben. Trotz Werbung der Oberschleißheimer Polizeidienststelle und ausdrücklicher Empfehlung der Verwaltung hat der Unterschleißheimer Stadtrat mit hauchdünner Mehrheit quer durch alle Parteien die Einführung der Freiwilligentruppe abgelehnt. "Eine halbe Stelle mehr bei der Polizei wär mir zehnmal lieber als zehn Freiwillige bei der Sicherheitswacht", sagte Grünen-Stadträtin Brigitte Huber.

Dienststellenleiter Michael Graf von der Oberschleißheimer Polizeiinspektion, die auch Unterschleißheim betreut, hatte eine erstklassige Sicherheitslage der Stadt bilanziert und sich auch über die Personalausstattung seiner Inspektion nicht beklagen wollen. Gleichwohl forderte er dringlich die Installation einer Sicherheitswacht, um "das subjektive Sicherheitsgefühl zu steigern und eine bessere Brücke zur Bevölkerung" aufzubauen. Die Sicherheitswacht besteht aus Freiwilligen, die sich selbst melden und nach 40 Stunden Schulung dann in Einsatzjacke durch den Ort patrouillieren. Sie können bei Bedarf die Personalien von anderen abfragen und Platzverweise erteilen. Bewaffnet ist die Sicherheitswacht mit einem Reizstoff, der in dieser Stärke nicht handelsüblich ist.

Die Stadt Unterschleißheim beschäftigt seit rund zehn Jahren nahezu unumstritten einen privaten Sicherheitsdienst, der vor allem nachts an Brennpunkten im Ortsbild Präsenz zeigt. Dass der benötigt werde, zeige doch, "dass die Nachfrage aus subjektiven Unsicherheitsgefühlen hoch ist", sagte Stefan Krimmer für eine Mehrheit der CSU. Den Sicherheitsdienst zu tragen, eine Sicherheitswacht aber abzulehnen, sei daher nicht schlüssig. Mit einer Wacht habe es "noch nie negative Folgen" gegeben, versuchte er Skeptiker bezüglich der Klientel, die sich für eine Wacht melden könnten, zu beruhigen. Da diese neue Einrichtung unter Regie der Polizei arbeite und auch noch vom Innenministerium bezahlt werde, sehe er in der Einführung "vor allem Chancen". Auch Stefan Schneiders (SPD) wertete den Sicherheitsdienst als "Erfolgsstory". Den bestehenden Sicherheitsdienst in eine Sicherheitswacht umzuwandeln, bringe Vorteile: "Wir bekommen ihn jetzt bezahlt", objektiv könne Unterschleißheim nichts Besseres passieren, sagte er.

Den Vergleich mit dem Sicherheitsdienst lehnte Martin Reichart (FB) als völlig verfehlt ab. Dort handle es sich um einen bezahlten Wirtschaftsbetrieb mit professionellen Mitarbeitern, hier um eine ehrenamtliche Freiwilligentruppe. "Ich fühle mich in Unterschleißheim nicht unsicher", sagte Reichart. "Ich fürchte aber, dass genau durch dieses Profil der Sicherheitswacht Leute angesprochen werden, vor denen ich mich fürchte." Grüne und eine Mehrheit in der SPD wollten die Initiative des Innenministeriums vorrangig politisch bewerten. Damit sollten "nur Polizeilücken gestopft werden", sagte Jürgen Radtke (Grüne) "Wollen wir wirklich eine Billigpolizei in Unterschleißheim?", fragte er. "So eine wichtige Hoheitsaufgabe sollte von der Polizei erledigt werden", forderte Radtke. Er bezweifelte, dass es ein Unsicherheitsgefühl gebe, das von den realen Straftaten herrühre. Vielmehr sei es Methode "rechter Parteien, Bedrohungsszenarien aufzubauen". Zudem sinke allgemein die Bereitschaft, "hinzusehen und zu helfen", beklagte Radtke. Daher müsse "mehr in die Zivilcourage jedes Einzelnen investiert werden", eine Sicherheitswacht sei "nur eine Beruhigungspille".

Sie zu installieren, wäre "Steigbügelhalten für eine verfehlte CSU-Politik", sagte auch Annegret Harms (SPD). Über die Hintertür der Sicherheitswacht, die mit acht Euro je Stunde honoriert würde, kriege man nun Sicherheitskräfte "unter dem Mindestlohn", rügte ihr Parteikollege Alexander Kieslich. Der Ansatz zur Steigerung des Sicherheitsgefühls sei ohnehin "komplett falsch. Wenn man suggeriert, dass man zusätzliche Angebote braucht, verschlechtert sich das Gefühl eher".

Wolfgang Streidl, Amtsleiter für öffentliche Ordnung, erinnerte daran, dass es seinerzeit Initiative des Stadtrats gewesen sei, eine solche Truppe aufzubauen, was damals noch an der Polizei gescheitert sei, so dass es zum privaten Sicherheitsdienst kam. Heute vergehe "kaum eine Woche, da nicht Ordnungswidrigkeiten im Rathaus gemeldet werden". Bürgermeister Christoph Böck (SPD) stellte sich hinter die Forderung der Verwaltung und votierte für die Sicherheitswacht. Mit ihm stimmten sieben Stadträte der CSU, drei der SPD, einer der ÖPD und die FDP, dagegen sieben Räte der SPD, die Grünen, die Freien Bürger, zwei der CSU und eine der ÖDP, so dass die Wacht mit 13 zu 15 Stimmen abgelehnt wurde. Zwei CSU-Stadträte waren bei der Sitzung entschuldigt, einer während der Abstimmung abwesend.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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