Unterschleißheim:Druck von allen Seiten

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Bei einer Podiumsdiskussion werden Bildungsdefizite deutlich

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Die Frage, ob die Wirtschaft unser Schulsystem bestimmt, ist bei der gleichlautenden Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Unterschleißheimer Jugendkulturhaus Gleis 1 im großen und ganzen mit Ja beantwortet worden. Dass die Schule heutzutage aber mit so viel Druck verbunden ist, dafür sind auch die Eltern, die Öffentlichkeit und die Schüler selbst verantwortlich.

Es war ein bunt gemischtes Podium, das der Unterschleißheimer Arbeitskreis Jugend auf die Bühne des Gleis 1 eingeladen hatte: Neben dem für Start-up-Firmengründungen zuständigen Microsoft-Manager Thomas Kösters waren das der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch, Michael Blum, Lehrer am Unterschleißheimer Carl-Orff-Gymnasium, Matthias Fack, Präsident des Deutschen Jugendrings, und der ehemalige Unterschleißheimer Schüler Matthias Kammerer. Dass der Druck auf die Schüler gewachsen ist, darin stimmten alle überein. Jugendpsychiater und Sozialpädagogen verzeichnen steigende Klientenzahlen, Nachhilfeinstitute boomen, Sportvereinen und Musikschulen bleiben die Jugendlichen weg - vor allem seit das Gymnasium auf acht Jahre verkürzt und Nachmittagsunterricht eingeführt wurde.

Das Problem sei nicht das Schulsystem, sondern stellten Schüler und Eltern selbst dar, sagte Weidenbusch. Vorgesehen sei eine Drittelung der Schüler auf Mittel- und Realschule und Gymnasium. Tatsächlich aber würden Übertrittsraten auf die Gymnasien von über 80 Prozent erreicht. Wer aber auf einer Schule sei, deren Anforderungen er nicht gerecht werde, der habe Druck. "Ich mag's nicht hören", konterte Matthias Fack vom Jugendring. Kernproblem bei der Schulwahl sei, dass die Mittelschule als Resteverwertung angesehen werde. Eine Tendenz, die sich bei den Ausbildungsberufen fortsetze. Wo früher der qualifizierte Hauptschulabschluss reichte, wird heutzutage oft schon die Mittlere Reife verlangt. Ein Vater aus dem Publikum stimmte zu, auf das Gymnasium wollten auch deshalb alle, weil Abiturienten größere Chancen bei der Lehrstellensuche hätten. Matthias Fack sagte allerdings, dass in bestimmten Berufsgruppen ein Umdenken stattfinde - auch aufgrund des demografischen Wandels.

Microsoft-Manager Thomas Kösters vermisst bei den Schulen die Visionen. Als Beispiel nannte er etwa die Fachhochschulen, die früher ein schlechtes Image gehabt hätten und heute manch einer Universität den Rang abliefen, was Projekte und Partnerschaften mit der Wirtschaft anbelange. Dass auch beim Trend zur Ganztagsschule die Wirtschaft eine Hauptursache sei, betonte Matthias Kammerer, "damit die Eltern arbeiten können". Die Ganztagsschule per se bedeute jedoch nicht unbedingt, Druck, sagte Fack: "Die Frage ist, was findet dort statt." Gebe es dort auch Freiraum zum Ausprobieren, dann sei die Ganztagsschule nicht so schlimm, "solange sie nur Bildungsanstalt ist, schon", sagte der Präsident des Jugendrings.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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