Unterhachinger Lesenacht:Von Regionalkrimi bis Weltliteratur

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Zahlreiche bekannte und weniger bekannte Autoren stellen bei der 11. Unterhachinger Lesenacht an verschiedenen Schauplätzen ihre Werke vor

Von Udo Watter, Unterhaching

Dass Werbefachleute oder Immobilienmakler ein biegsames Verhältnis zur Wahrheit pflegen, liegt in der Natur der Sache. Die Manipulation durch Sprache ist bei ihnen quasi eine professionelle Kardinaltugend: Da wird dann die renovierungsbedürftige Bruchbude in Milbertshofen zum Liebhaber-Objekt in Nord-Schwabing, und ein Werbeslogan bescheinigt einem mittelmäßigen Produkt diverse Wunderwirkungen.

Auch Journalisten oder Politiker verwenden nicht selten Begriffe, die den Kern der Sache je nach Intention verschleiern, aufhübschen, verharmlosen oder aufblasen. Der Publizist Reinhard Schlüter widmet sich in seinem gerade erschienenen Buch "Schönsprech - wie uns Politik und Lobby das Blaue vom Himmel erzählen" dem Phänomen, dass Bürger durch euphemistische Wortschöpfungen und "Schaumsprache" eingelullt werden. Wörter wie "Minuswachstum", "Rettungsschirm" oder "Jobwunder" korrumpieren mehr oder weniger subtil unsere Wahrnehmung und dienen zu wenig anderem als dazu, Krisen und Belastungen zu beschönigen. Schlüter, der unter anderem für den Bayerischen Rundfunk Sendungen wie "Radio Wissen" macht, ist einer der Autoren, die am Samstag, 18. April, bei der 11. Unterhachinger Lesenacht auftreten werden. "Sein Buch ist sehr interessant. Ich hoffe, dass er es entsprechend originell rüberbringt", sagt Christine Helming von der Buchhandlung Helming & Heuser, die mit dem Kulturamt und der VHS für die Organisation verantwortlich ist.

Anatol Regnier mit seinem Vater Charles in Ambach. Der heute 60-Jährige liest in Unterhaching aus dem Buch "Wir Nachgeborenen" (Foto: Archiv Anatol Regnier)

Von 16 bis 24 Uhr werden am 18. April zahlreiche Schriftsteller an verschiedenen Orten in Unterhaching lesen und die Bücherfreunde im Münchner Süden zu begeistern suchen. "Auch in diesem Jahr können wir wieder bekannte Namen präsentieren", erklärt Helming. Dazu gehört mit Sicherheit Anatol Regnier, Sohn von Charles Regnier und Pamela Wedekind sowie Enkel von Frank Wedekind. Er liest aus seinem Buch "Wir Nachgeborenen", in dem er das Schicksal von Menschen beleuchtet, die aus berühmten Familien kommen und ihren eigenen Weg finden mussten. "Das wird sicher toll", glaubt Helming. Sie freut sich auch auf den Auftritt von Adnan Maral, der weniger als Autor denn als Schauspieler ("Türkisch für Anfänger") Bekanntheit genießt. Gleichwohl ist sein Buch "Adnan für Anfänger", in dem er auf 40 Jahre deutsch-türkische Integrationsgeschichte blickt, ein Bestseller. Der 1968 in Çıldır geborene und in Frankfurt aufgewachsene Maral will Grenzen in den Köpfen aufbrechen und behilft sich dabei mit einer Prise "deutschtürkischem Hümor".

Werner Tiki Küstenmacher erklärt den Schlüssel zum Glück. (Foto: Johannes Simon)

Hohe Resonanz dürfte auch Werner Tiki Küstenmacher erfahren, der mit "Simplify your life" einen Riesenerfolg feierte und in Unterhaching sein neues Buch "Limbi - der Weg zum Glück führt durchs Gehirn" vorstellt. Der Pfarrer, TV-Moderator, Autor und Karikaturist widmet sich darin neuen Erkenntnissen der Neurowissenschaft: Der Schlüssel zum Glück liegt im Hirn und besonders im limbischen System, das für die Emotionen zuständig ist. Diese Hirnregion wird bei Küstenmacher zur Figur "Limbi", die jede Menge Glückshormone ausschüttet, wenn ihr etwas gefällt. Mitunter ist sie dem Menschen aber auch im Wege, etwa wenn unangenehme Dinge anstehen. Küstenmachers Lösung: Statt Limbi mit Gewalt zu etwas zu zwingen, einfach auf intelligenter Basis mit ihr kooperieren - dann fällt offenbar vieles leichter. Generell treten bei der 11. Unterhachinger Lesenacht, die an Schauplätzen wie dem Kubiz, der Gemeindebücherei, der Buchhandlung Helming & Heuser, dem Heimatmuseum und dem Blumenhaus Ertl stattfindet, viele Sachbuchautoren auf. Helmig, die bei der Organisation ihre Teilnehmer primär im Raum München sucht, tat sich diesmal schwerer, Vertreter der Belletristik zu finden: "Die sind jetzt offenbar fast alle in Berlin." Ein paar Auftritte jenseits der Sachbuchliteratur gibt es freilich auch: Marc Ritter und Franz Xaver Roth präsentieren Krimis, die in Garmisch respektive im Münchner Umland spielen. "Regionalkrimis müssen einfach sein", sagt Helming über die ungebrochene Popularität des Unter-Genres. Kopfkino für Kinder bietet bereits am Nachmittag Martina Baumbach ("Der Sommer, als wir reich wurden"), Theresia Graw ("Glück ist nichts für schwache Nerven") dürfte die Sehnsüchte des Publikums nach großen Gefühlen befriedigen. Weitere Autoren sind Bene Benedikt ("Gebrauchsanweisung für die Alpen"), Monika Czernin ("Das letzte Fest des alten Europa - Anna Sacher und ihr Hotel") oder Friederike Hausmann, die ihre Biografie über Maria Carolina, Königin von Neapel, vorstellt. Spannend dürfte der erstmals ausgetragenen Poetry-Slam-Wettbewerb werden, der um 19 Uhr und 21 Uhr in der VHS Hofmarkweg unter Leitung von Pauline Füg über die Bühne geht. Zum Abschluss wird Fridhelm Rensch im VHS-Atelier am Friedhof "Unheimliche Geschichten der Weltliteratur" lesen. Es ist traditionell der Schlusspunkt der Lesenacht, der in gruselige Welten entführt. Dass dabei die Wahrnehmung des Zuhörers mittels Sprache (und Vortrag) in gewisser Weise auch manipuliert wird, scheint klar - aber in dem Fall dann doch wohl auf subtilere und abgründigere Weise.

Adnan Maral blickt mit "deutschtürkischem Hümor" auf die Geschichte der Integration. (Foto: Robert Haas)

Die Unterhachinger Lesenacht findet am Samstag, 18. April, von 16 bis 24 Uhr statt. Karten für Erwachsene kosten 15 Euro und gelten für alle Veranstaltungen . Vorverkauf in der Bücherei, der Buchhandlung Helming & Heuser, der VHS und im Kubiz , Infos unter www.unterhachinger-lesenacht.de

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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