Spielkultur:Deftige Kost

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Aschheimer Laienspieler machen seit 30 Jahren amüsantes Bauerntheater. Damit unterhalten sie an tristen Herbstabenden das Publikum. Ein Bühnenbesuch

Von Markus Mayr, Aschheim

Zur heutigen Abschiedsvorstellung des bayerischen Lustspiels "Ruhestand - und plötzlich war die Ruhe weg!" dürfte es einen exklusiven letzten Auftritt geben. Für das Publikum endet das Aschheimer Bauerntheater mit dem dritten Akt. Auf die Schauspieler und Techniker der Gruppe aber wartet dann noch der vierte. Wie bitte? Nach der Vorstellung wird gezecht bis zum frühen Morgen, erklärt eine Schauspielerin, bevor sie in ihre Rolle schlüpft. "Nachm Theater zamhocken", sagt die Kollegin. Eine maßlose Untertreibung, denn sie erzählt von wilden Nächten beim Krautkopfkegeln und Polonaise tanzen auf den Tischen. Doch wer könnte ihnen das Feiern versagen, wenn die zehrende Proben- und Spielzeit endlich vorbei ist.

Todernst ist ihre Sache nicht. Nie gewesen, wird sie nie sein. Der Theaterverein zelebriert auf der Bühne den bisweilen derben Spaß. Den hat auch das Publikum, das in den Lachpausen Schweinsbraten aus der Küche der Sportgaststätte genießen kann. Jährlich inszeniert die durchwegs aus Laien bestehende Truppe ein Stück, das 31. ist es heuer: zehn Vorstellungen, insgesamt 1700 Gäste, voll besetzt. Der straffe Probenplan fordert Schauspieler, Regisseur und Techniker gleichermaßen. Eine Woche nach Wiesn-Ende fällt alljährlich der Vorhang zur Premiere.

Die Ehefrau des Ruheständlers hat nichts zu lachen. Er schikaniert sie wo er nur kann. (Foto: Stephan Rumpf)

Jeder der Theaterleute hat einen gänzlich anderen Beruf, viele Familie. Doch das Spielen, das Vorbereiten eines "abendfüllenden Stücks" mache ihnen Laune, sagt Robert Bauer, der den Verein 1985 mit gegründet hat. Dafür geben sie gerne ihre Freizeit. Schauspielerin Tanja Sassmann hat zwei kleine Kinder. Das ein oder andere Stück müsse sie auslassen, erzählt sie. Die Proben fielen zudem immer in die Wiesn-Zeit, was "hart" sei. Vereinsvorsitzende Clarissa Haller gibt zu, dass man während der Wiesn schon "ein paar Sätze verliert". Bei einem Texthänger könne nur der Spielpartner einem wieder in den Dialog hinein helfen, sagt die 28-Jährige, die in ihrer roten Hose und dem strahlend weißen Blazer nicht aussieht, als spiele sie klassisches bayerisches Bauerntheater. Während des Stücks, auf der Bühne, herrschen der Ruheständler und seine zwei ebenfalls verrenteten Kumpels über ihre Ehefrauen. Männlicher Chauvinismus pur, ausgedrückt in Sprüchen, bei denen selbst hartgesottenen Machos die Kinnlade runterfallen könnte. Im Theaterverein allerdings, so scheint es, sind Frauen ranggleich und höher. Mit Haller hat eine Frau den Vorstandsposten inne. Als Chefin hofiert wird die mit 89 Jahren Älteste, Anni Linner. "Ohne die Anni ging's net", sind sich die rund 30 aktiven Mitglieder einig. Im Gründungsjahr 1985 haben junge Burschen und Mädels, die teils heute noch dabei sind, Linner als Regisseurin hinzugebeten - und bis jetzt nicht losgelassen. Sie hat damals die notwendige Struktur in die Proben und die jungen Schauspieler dazu gebracht, mal die Bierflasche wegzustellen.

Viele der einstigen Gründungsmitglieder des Vereins sind heute noch dabei. Aus angeklebten Bärten wurden echte. Fältchen, die früher geschminkt wurden, hat das fortschreitende Alter selbst gesetzt. Die Maskenbildnerin muss sie nur für das Rampenlicht nachziehen. Im Mittel sind sie über 40 Jahre alt. Wenige sehr Junge drücken den Schnitt. Das mit dem Nachwuchs sei "schon schwierig", sagt Haller, die vergleichsweise jung ist. Die meisten Mitglieder hätten aber Familie, da wüchsen genug "Lausbuben und Lausdeandln" nach. Hier in Aschheim möge auch die Jugend die Traditionen. "Guad und wichtig" sei es, diese aufrecht zu halten, sagt Gründungsmitglied Bauer. Eine seiner Töchter hat selbst schon gespielt. Dass ihr Vater seit 30 Jahren Bauerntheater macht? Habe sie "schon immer cool" gefunden, sagt die 23-Jährige.

Indes amüsiert sich das Publikum beim Aschheimer Bauerntheater. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Besuch hinter der Bühne zeigt, dass sich alle gut verstehen. Bei der Rollenverteilung habe es "keinen Stress" gegeben", sagt Haller. Sie gehen vertraut miteinander um. Da wird sich aus- und angezogen, Frau vor Mann und umgekehrt, egal. "Wir sind wie eine große Familie", erklärt die Vorstehende. Man kenne sich, ausnahmslos seien sie in Aschheim verwurzelt. Die Jungen und die Alten kommen blendend miteinander aus, auch weil sich letztere nicht so fühlen. "Mia san ja ned oid", sagt Schauspielerin Sassmann, 42 Jahre. Während einer kurzen Pause zwischen zwei Akten füllt sich jemand eine Flöte mit Sekt, genehmigt sich einen Schluck und nimmt das Glas als Requisite mit auf die Bühne.

Die Inszenierung ist kurzweilig lustig. Die großen Fauxpas, auf die das Publikum stets spechtet, blieben jedoch in dieser Spielzeit aus. Dabei ist in den 30 Jahren, in denen die Aschheimer schon die heimische Bühne bespielen, einiges passiert: Eine Bank brach bei laufendem Spiel. Ein geplatzter Schnapsballon drohte die Technik unter Wasser zu setzen. Ein Lachanfall zwang zum Wiederholen der Szene. Die Situationskomik der ungeplanten Ereignisse hat das ihre zur Erheiterung des Saales beigetragen.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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