Öffentliche Aufgaben:Wenn der Kreis für den Staat einspringt

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Kfz-Zulassung, Waffenkontrolle, Unterbringung von Flüchtlingen: Das Landratsamt übernimmt viele Aufgaben des Freistaats. Doch der stellt weder das Personal noch trägt er die Kosten - ein Skandal, finden Kreisräte

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Ein einziges Mal hat das Landratsamt in diesem Jahr eine gute Nachricht aus dem bayerischen Finanzministerium erhalten: Das Ministerium billigte der Behörde eine zusätzliche Stelle zu für einen Staatsbediensteten, der im Landratsamt Staatsaufgaben übernimmt und auch vom Freistaat bezahlt wird. Warum Landrat Christoph Göbel (CSU) dies in den Beratungen zum Kreishaushalt 2018 so explizit betont? Weil es die absolute Ausnahme ist und die Kreispolitiker reihum das Gefühl haben, der Freistaat übertrage immer mehr Aufgaben und Kompetenzen auf die Landkreise, stehle sich dann aber aus der - vor allem finanziellen - Verantwortung.

"Das ist ein Skandal", empört sich Kreisrat Otto Bußjäger von den Freien Wählern. "Und brandgefährlich. Für die Finanzhoheit der Landkreise, aber auch ganz konkret für die Sicherheit der Bürger." Christoph Nadler (Grüne) wirft dem Freistaat in der gleichen Sitzung vor, dieser mache sich "einen extrem schlanken Fuß" beim Thema Staatsaufgaben: "Darunter leiden dann die Kommunen, die diese Aufgaben ja über die Kreisumlage finanzieren müssen. Das ist so nicht mehr hinzunehmen."

Die Aufgaben eines Landkreises sind so vielfältig wie umfangreich: von den weiterführenden Schulen über den Straßenunterhalt, das Jobcenter, Sozialleistungen bis hin zu den eigenen Liegenschaften und so ausgefallenen Funktionen wie der Erteilung von Taxi-Konzessionen. All das sind Pflichtaufgaben. Zu den freiwilligen Leistungen, die der Landkreis München erfüllt, gehören etwa die Hilfe bei häuslicher Gewalt, die Mobilitätsplanung, der Landkreispass und sogar die Schulsozialberatung.

Was nicht zu den Aufgaben eines Landkreises gehört, sind die Waffenkontrolle, die Kfz-Zulassungsstelle, das Veterinäramt, die Bauleitplanung, die Ausländerbehörde und das Thema Unterbringung von Flüchtlingen. All diese Aufgaben übernehmen im Landkreis München aber in überwiegender Zahl Mitarbeiter des Landratsamtes: Angestellte und Beamte, die der Landkreis bezahlt. Gerade einmal 137 der nahezu tausend Mitarbeiter im Landratsamt sind tatsächlich Staatsbeamte. Insgesamt kostet den Landkreis die Übernahme von Staatsaufgaben in diesem Jahr 14,9 Millionen Euro.

"Ich spreche das Thema bei jeder Gelegenheit an", versichert Landrat Göbel den Kreisräten. "Bei Landkreistagen und Dienstbesprechungen. Wie meine Vorgänger schreibe ich regelmäßig an die Staatsregierung. Wie Sie sehen mit bescheidenem Erfolg." Jede neue Stelle eines Staatsbediensteten muss vom Landratsamt formal beim Finanzministerium beantragt werden. Die Antwort ist laut Göbel meist dieselbe: wird nicht genehmigt.

Die Konsequenz: Der Landkreis verweigert entweder die Übernahme staatlicher Aufgaben oder er kümmert sich selbst um die Ausstellung von Führerscheinen oder die Kontrolle von Altenheimen und trägt die damit verbundenen Kosten. "Der Bürger erwartet, dass diese Pflichten erfüllt werden", sagt Bußjäger. "Wir können gerade im reichen Landkreis nicht sagen, dass so zentrale staatliche Aufgaben wegfallen." Dem pflichtet auch Nadler bei: "Wenn es etwa um die Waffenkontrollen oder die Heimaufsicht geht, ginge jedes Vertrauen der Bürger verloren, wenn wir sagen: Das ist nicht unser Verantwortungsbereich."

"Der Freistaat lässt uns hängen." Mit dieser klaren Ansage kritisierte der Landrat schon vor einem Jahr die stetig wachsenden Belastungen der Landkreise. Diese Kritik erneuerten die Kreisräte nun. "Wir können uns das Ganze gerade noch leisten. Wenn es aber in ärmeren Landkreisen dazu kommt, dass wichtige, gesellschaftliche Bereiche nicht mehr bearbeitet werden, liegt das alleine in der Verantwortung der Staatsregierung", so Grünen-Kreisrat Nadler. "Der Freistaat muss zwingend mehr Geld in die Hand nehmen und neue Stellen schaffen", pflichtet Bußjäger bei. "Denn irgendwann werden sich die Kreise das nicht mehr leisten können."

Für das kommende Jahr hat die Verwaltung zehn neue Stellen für staatliche Aufgaben beantragt, die von den Kreisräten gebilligt werden müssen, wenn der Freistaat nicht einspringt. Darunter ist auch die Stelle eines Sachbearbeiters für Wasserrecht, der sich um den Forschungsreaktor in Garching kümmern soll. Eine solche Stelle wird wegen der Bedeutung der Einrichtung erfahrungsgemäß meist vom Freistaat genehmigt - und auch bezahlt.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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