München: Peer Steinbrück im Literaturhaus:Der große Abkanzler

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Ein Mann, ein Buch, ein Amt: Peer Steinbrück stellt im Literaturhaus im Gespräch mit Hans-Werner Kilz sein neues Buch "Unterm Strich" vor. Dabei macht der Sozialdemokrat genau das, was er besonders gut kann: Er teilt aus - mal beißend, mal witzig.

Ulrich Schäfer

Peer Steinbrück ist nicht gerade bekannt dafür, dass er mit seiner Meinung hinterm Berg hält. Der Sozialdemokrat verletzt dabei schon mal den politischen Gegner und bisweilen auch Parteifreunde. Und so macht er auch am Mittwoch im Münchner Literaturhaus, als er sein Buch "Unterm Strich" vorstellt, genau das, was er besonders gut kann: Er teilt aus - mal beißend, mal witzig. Und er trifft dabei viele, die Rang und Namen haben (wobei Steinbrück die Namen der Gescholtenen nicht immer ausdrücklich nennt).

"Auch Bescheidenheit kann für eine große deutsche Bank gelegentlich eine Zier sein", Peer Steinbrück und Hans-Werner Kilz im Literaturhaus. (Foto: Robert Haas)

Sein Lieblingsfeind ist Georg Funke, weil dieser als Chef der Hypo Real Estate 2008 binnen einer Woche zweimal um Steinbrücks Milliarden bat. Der Ex-Finanzminister wirft dem Ex-Banker "Größenwahn" vor und ist über dessen "Ignoranz!" auch zwei Jahre später immer noch fassungslos. Fassungslos ist Steinbrück manchmal auch über seine eigene Partei. Die SPD sei, als sie der Großen Koalition angehörte, "Regierungs- und Oppositionspartei zugleich" gewesen; sie zeichne sich durch "fehlende Beständigkeit und Verlässlichkeit" aus. Die 350 Zuhörer im Saal, die in ihrer Mehrheit eher den linken als den bürgerlichen Parteien nahe stehen dürften, bestätigen ihm dies mit viel Applaus. Der Saal ist Steinbrück gewogener als jeder SPD-Parteitag.

Aber auch die wirklich Mächtigen im Land bekommen an diesem unterhaltsamen, kurzweiligen Abend ihr Fett weg. Josef Ackermann etwa, auch wenn dessen Name nicht fällt. Genüsslich rechnet Steinbrück vor, wie sehr die Deutsche Bank von den Hilfen für HRE und IKB und den internationalen Rettungspaketen für den amerikanischen Versicherungsriesen AIG und für Griechenland profitiert habe. Da kommt er schnell auf einen zweistelligen Milliardenbetrag und empfindet es offenbar als Hohn, dass Ackermann gesagt hat, er würde sich schämen, staatliche Hilfe für seine Bank annehmen zu müssen. "Auch Bescheidenheit kann für eine große deutsche Bank gelegentlich eine Zier sein", stichelt Steinbrück.

Selbst Kanzlerin Angela Merkel, die er einst so geschätzt hat, bekommt ein paar Spitzen ab. Steinbrück hält ihr zum Beispiel vor, dass sie eine unbekannte Britin zur EU-Außenministerin gemacht habe und nicht ihren ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der "weltweit in einer anderen Liga spielt". Steinmeier, SPD-Kanzlerkandidat von 2009, ist so ziemlich der einzige, den Steinbrück an diesem Abend uneingeschränkt lobt.

Und Kanzlerkandidat: Das - so scheint die Botschaft des Auftritts zu sein - könnte Steinbrück auch. Nein, nein, wehrt er ab, als SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz, der den Abend moderiert, danach fragt. Er werde 2013 nicht antreten und sei froh, dass er nach 17 Jahren in öffentlichen Ämtern nun "selbst entscheiden kann, was ich machen will".

Einerseits. Andrerseits hat Steinbrück an diesem Abend auch dafür geworben, dass die SPD sich personell und inhaltlich öffnen muss, wenn sie nicht "im 20-Prozent-Ghetto-Turm eingesperrt" bleiben will. Er hat für Vorwahlen nach amerikanischem Vorbild geworben, in denen es vor allem um Personen geht, nicht um Programme. Die Volksparteien dürften sich nicht von "selbstbezogenen Parteifunktionären" dominieren lassen, sondern müssten sich fragen: Mit wem können wir gewinnen?

Aber dann sagt er: "Ich möchte die SPD sehen, die mich zum Kandidaten macht." Es müsste eine andere SPD sein als heute. Eine SPD, deren neues Programm in Steinbrücks Buch steht: weniger rückwärtsgewandt, weniger auf Gewerkschaftskurs, näher dran an der Wirtschaft. Aber gibt es die?

© SZ vom 24.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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