Mobil ohne Motor:Mit positivem Beispiel voran

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Bei einer Unkonferenz legen die Teilnehmer selbst die Themen und den Stundenplan fest. So auch im Kubiz in Unterhaching. (Foto: Claus Schunk)

Bei einem Aktmob-Camp in Unterhaching debattieren die Teilnehmer unter anderem darüber, wie man Menschen dazu bewegen kann, vom Auto aufs Rad umzusteigen

Von Magdalena Mock, Unterhaching

Schon mal mit dem Auto zum Bäcker gefahren? Diese Frage müssten wohl die meisten mit Ja beantworten. Für die Teilnehmer des Aktmob-Camps in Unterhaching kommt dies jedoch nicht in Frage. Sie alle sind passionierte Fahrradfahrer. Die Vorzüge von aktiver Mobilität unter die Menschen zu bringen und Autofahren im Alltag zu reduzieren, ist das Ziel ihrer sogenannten Unkonferenz, die sie im Unterhachinger Kultur- und Bildungszentrum (Kubiz) abhalten.

Eine Unkonferenz, auch Barcamp genannt, ist eine offene Tagung. Die Organisatoren stellen lediglich den äußeren Rahmen der Veranstaltung zur Verfügung: Räumlichkeiten, Internetzugang und Verpflegung. Das Programm steht im Voraus nicht fest. Inhalt und Ablauf werden von den Teilnehmern erst zu Beginn der Tagung entwickelt. Dabei bieten die Besucher in "Sessions" Vorträge, Diskussionsthemen und Workshops an, die sie gern vorstellen möchten. Die Vorschläge werden auf Zettel geschrieben und in einer Art Stundenplan festgehalten. Für Roland Dürre, einen der geistigen Väter von Aktmob-Camps, liegen die Vorteile dieser Form des Austausches klar auf der Hand: "Die Leute wollen einfach selber was machen", sagt er. Durch die entstehende Gruppendynamik würde mehr Kreativität freigesetzt. "So entstehen Innovationen", sagt Dürre. Die Unkonferenz als antiautoritäre Ideenschmiede.

Das innovative Potenzial des Barcamps wollen die Organisatoren des Aktmob-Camp für ihr Ziel nutzen, aktive Mobilität im Alltag voranzubringen. Die Fortbewegung mit Muskelkraft soll in der Gesellschaft nicht mehr lediglich als Restverkehr wahrgenommen werden. Um dies zu erreichen, werden möglichst viele Gleichgesinnte miteinander vernetzt. "Wir wollen uns austauschen, gegenseitig Erfahrungen berichten, gemeinsam neue Ideen entwickeln und diesen Gehör verschaffen", heißt es auf der Webseite der Tagung.

Das Konzept geht auf: Die knapp 30 Teilnehmer füllen die Tafel, die im Kubiz als Stundenplan dient, zu Beginn des ersten Konferenztages schnell mit Ideen und Vorschlägen für Sessions. Die allermeisten drehen sich ums Fahrradfahren. Ein Beispiel: Wie kann man erreichen, dass Menschen ihre Gewohnheiten ändern und statt ins Auto öfter aufs Fahrrad steigen? Barbara Dürre, eine der Veranstalterinnen und Leiterin der Session, stellt die Frage in den Raum. Schnell entspinnt sich eine intensive Diskussion, deren Tenor schnell klar wird: Toleranz ist wichtig und positives Vorleben besser als negatives Kritisieren. Der Unterhachinger Altbürgermeister Erwin Knapek, der ebenfalls zu den Teilnehmern gehört, steuert in diesem Zusammenhang eine schöne Anekdote bei: "Man kann schon viel machen", sagt er. Als er 1996 "aus Versehen" Bürgermeister geworden sei, habe er ganz bewusst auf seinen Dienstwagen verzichtet und stattdessen ein Dienstfahrrad verlangt. In seiner Zeit als Rathauschef habe er immer wieder Wettrennen mit Mitarbeitern aus der Verwaltung gemacht: Wer ist schneller bei der Arbeit - Auto- oder Fahrradfahrer? Meistens habe er gewonnen. Auf diese witzige und praktische Art und Weise hätte er peu à peu einige Leute anstecken und selbst zu überzeugten Fahrradfahrern machen können - ohne die pädagogische Moralkeule zu schwingen.

Am Ende des ersten Tages sind die Veranstalter und Teilnehmer zufrieden. "Dass es so gut wird, hätten wir gar nicht gedacht", sagt Wolfgang Gross, der für die Wlan-Versorgung zuständig ist. Besonders der Erfahrungsaustausch und die Diskussionskultur kommen positiv an. Ursprünglich hatten die Organisatoren mit mehr Besuchern gerechnet. Die relativ geringe Anzahl der Teilnehmer tut dem Barcamp aber keinen Abbruch - im Gegenteil. "Die Stimmung ist unheimlich toll", freut sich Gross. Manchmal ist "klein aber fein" produktiver als eine große Veranstaltung.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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