Mitten im Lankreis:Handyhalten statt Händchenhalten

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Warum küssen sich eigentlich nur noch Menschen über 50 in der Öffentlichkeit?

Von Barbara Briessmann

Es hagelte blöde Bemerkungen: "Muss Liebe schön sein", hieß es etwa. Oder: "Bei uns hätt's das nicht gegeben." Menschen der Generation Ü50 erinnern sich noch gut daran, wie es war, wenn sich Paare in der Öffentlichkeit in sich versunken knutschten. Küssen sie sich heute noch außerhalb der eigenen vier Wände, lautet die Bemerkung: "Ist das peinlich!" Ausgesprochen von Jugendlichen oder den eigenen Kindern, die angewidert das Gesicht verziehen und genervt mit den Augen rollen. Muss wohl mit dem Alter zu tun haben, nicht der peinlich berührten Kids, sondern der Erwachsenen.

Grund zum Erröten wird den Jugendlichen allerorten geboten. Ein Blick in Straßen und Parks beweist: Es küssen sich fast nur noch Menschen leidenschaftlich, die ihren 50. Geburtstag schon hinter sich haben. Was die Kids so verstört, liegt im Dunkeln. Denn sie bleiben schier regungslos, wenn auf dem Display oder PC-Bildschirm Filme oder Spiele laufen, bei denen die Eltern eigentlich sofort den Jugendschutz einschalten müssten.

Was ist da passiert? Warum küssen sie nicht auch? Die Theoretiker würden antworten, dass junge Menschen von dem ganzen Sex und der Gewalt um sie herum abgestumpft sind oder davon in Panik versetzt worden sind vor einer Bindung oder dem Leistungsdruck, der durch die Medien vermittelt wird. Der Praktiker aber zählt auf seine Beobachtungen: Kennenlernen, Flirten, Umarmen, verliebte Blicke und Händchenhalten sind kompliziert, wenn das Handyhalten dazu kommt. Vielleicht spekulieren Jugendliche aber auch darauf, dass sie sich irgendwann mal - laut Werbung geschieht das alle elf Minuten - bei einer Partnervermittlung verlieben. Ganz natürlich per Internet.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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