Mitten in Brunnthal:Das befriedete Dorf

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Im Mittelalter war das Seelenheil in Gefahr, wenn einen der Bannstrahl des Papstes traf. Bei der Bannmeile, die am Wochenende in Brunnthal gilt, geht es um profanere Dinge

Von Bernhard Lohr

Elendig war das Leben des gemeinen Menschen im Mittelalter. Auch Könige und Päpste kämpften mit Widrigkeiten. Früh fielen die Zähne aus, harmlose Krankheiten führten zum Tod und im Winter war es beinkalt. Selbst die Outdoor-Stiefel von König Heinrich IV. (1050-1109) verfügten über keine Membran, die die Füße auf wundersame Weise warm hält und doch Schweißgeruch verhindert. Keine Funktionsjacke schützte den Körper der Hoheit und die Burg war nicht nach dem KfW-Effizienzhaus-55-Standard errichtet. Es zog fürchterlich.

Doch das war nichts gegen die Seelennöte, in die ein Heinrich gestürzt werden konnte, wenn ein Papst über ihn den Kirchenbann verhängte, weil er nicht spurte. Mit so einem wollten viele nichts zu tun haben. Die irdische Macht bröckelte und der Einzug ins Himmelreich war verbaut. Deshalb zog der vom Bannstrahl Getroffene bekanntlich nach Canossa, wo er im Januar 1077 bei Eiseskälte "in mitleiderregender Weise ausharrend . . . unbeschuht und in wollener Kleidung" vor der Burgmauer Gregor VII. anflehte, die Exkommunikation aufzuheben.

Vor dem Kirchenbann muss sich heute kein Ministerpräsident mehr fürchten, auch wenn die Kirche wegen seiner Flüchtlingspolitik mit ihm über Kreuz liegt. Der Bann wird heute aus rein säkularen Gründen zur Anwendung gebracht. Der Bundestag in Berlin oder der Landtag in München ziehen Bannmeilen, um unabhängig vom Druck der Straße Entscheidungen treffen zu können. Nicht der Gläubige wird aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, sondern der womöglich über die Stränge schlagende Bürger aus der Schutzzone.

Jetzt hat die Gemeinde Brunnthal eine Bannmeile um den Ortskern gezogen. Es geht nicht ums Seelenheil oder die Grundfesten der Demokratie, weil etwa der Gemeinderat vor einer epochalen Entscheidung steht. Nein. In der Bannmeile gilt ein Saufverbot auf öffentlichen Plätzen. Von diesem Freitagabend bis Samstagmorgen darf in dem befriedeten Bezirk jeder aufgehalten werden, der Bier-, Wein- oder Wodkaflaschen dabei hat. Die Partygäste des Johannifeuers der Brunnthaler Burschen sollen sich am Festgelände betrinken - und nicht das ganze Dorf überrennen.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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