Kreis und quer:Vorfreude bleibt die schönste Freude

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Der Samstag ist einfach ein Wahnsinn. Weil sich ein jeder so sakrisch auf den Sonntag freuen kann. Wäre da nur nicht der Montag. Und der Dienstag. Und der . . .

Von Michael Morosow

Es gibt mindestens fünf Gründe, warum die meisten der 52 Wochen im Jahr entgegen unseren Wünschen und Vorstellungen ins Land ziehen. Sie heißen Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag. An diesen Tagen wird gemeinhin die Schulbank gedrückt oder das Bruttosozialprodukt gesteigert, nicht aber die Laune derer, die deswegen frühmorgens und gegen ihren Willen aus den Betten gerissen werden. Nun gut, unsere Wochenleistung ist überschaubar, verglichen mit der Schaffenskraft des Herrn, der Himmel und Erde in sechs Tagen erschuf und kurz darauf Wecker, Stempeluhr und die Apotheken Umschau erfinden ließ.

Letztere, in Baierbrunn beheimatet, hat ihre Leserschaft jetzt mit einer verblüffenden Erkenntnis geradezu vom Stuhl im Wartezimmer gerissen: Für mehr als die Hälfte aller Bundesbürger (52,4 Prozent) gibt es keinen schöneren Tag als den Samstag, bei den Berufstätigen sind es 70 Prozent, bei Schülern, Auszubildenden und Studenten sogar mehr als 75 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kommt das Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK, das im Auftrag der besagten Zeitschrift 1940 Menschen nach ihrem Lieblingstag befragt hat. Als Grund für ihre Präferenz nannten die meisten das erquickende Vorgefühl auf den (arbeits-)freien Sonntag.

Kurz und verstörend: Der Samstag wird geliebt, weil tags darauf Sonntag ist, der Sonntag hingegen weniger geschätzt, weil am Montag früh wieder der Wecker klingelt. Man kann sich Herrn Mustermann bildhaft vorstellen, wie er am Samstag selig lächelnd auf dem Mittleren Ring im Stau steht, weil er sich so sakrisch auf den Sonntag freut. Wie er dann im Baumarkt am Ende einer langen Schlange juchzt vor lauter Vorfreude. Wie er den Rasen mäht, zwar ermattet und kreuzlahm, aber glückstrahlend ob des bevorstehenden Sonntagsausflugs. Und wie er schließlich am Sonntag zwar endlich am Tegernsee oder im Garten in der Sonne sitzt, aber spätestens zum Nachmittagskaffee dreinblickt wie sieben Tage Regenwetter, weil morgen ja wieder Montag ist.

Wenn jemand wirklich einen Grund hat, Samstage zu lieben, dann ist das Herr Taschenbier aus dem Kinderbuchklassiker "Eine Woche voller Samstage". Aber nur deshalb, weil ein rothaariges, stupsnasiges und freches "Sams" ihn als Papa auserkoren hat und tolle blaue Wunschpunkte auf seinem Rücken trägt. Das "Sams" kommt aber nur an Samstagen, sonst würde es vielleicht "Sonn" oder "Dienst" heißen. Wenn Herr Taschenbier Fußball liebt, dann wird er hoffentlich einen Wunschpunkt dafür verwenden, dass die deutsche Nationalmannschaft am Dienstag das Spiel gegen die Nordiren gewinnt. Und wir fiebern diesmal - Samstag hin, Samstag her - dem Montag entgegen. Denn am Montag können wir uns den ganzen Tag über mächtig auf den Dienstag freuen.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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