Kreis und quer:Plätzchen zur Maibaum-Therapie

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Noch 33 Mal schlafen bis Heilig Abend. Für die einen der blanke Horror, für die anderen die reinste Freude. Und für die Höhenkirchener Burschen? Denen ist das herzlich egal - die sind schon wieder einen Schritt weiter

Von Michael Morosow

Der Christbaum auf dem Marienplatz steht bereits, Christstollen und Spekulatius liegen schon seit Ende des Oktoberfestes in den Regalen weihnachtlich geschmückter Läden, und wer heute noch nicht die ersten Geschenke eingepackt hat, muss sich sputen. Schon bald beginnt die staade Zeit, nur noch 33 Mal müssen wir schlafen, schon wird das Christkind vor der Tür stehen. Mit anderen Worten: Die dreimonatige Vorweihnachtszeit neigt sich allmählich ihrem Ende entgegen.

Es gibt Menschen, für die eine neunmonatige Weihnachtspause nicht mehr erträglich ist. So etwa für Tante Milla in der Erzählung "Nicht nur zur Weihnachtszeit" von Heinrich Böll. Tante Milla also ist christbaumsüchtig, ein Leben ohne Jingle Bells und Weihnachtskerzen macht für sie keinen Sinn mehr. Die Geschichte geht gut aus: Eine von Onkel Franz verordnete Tannenbaumtherapie schlägt nach zwei Jahren beziehungsweise 730 Heiligen Abenden am Stück an.

"Nicht nur zur Weihnachtszeit", so denkt sich auch der Engländer Andy Park, der seit mehr als 20 Jahren schon in jeder Nacht "Stille Nacht, Heilige Nacht" singt und täglich einen Truthahn verspeist. Ganz zu schweigen von etwa 2500 Litern Bratensoße und mehr als 20 000 Flaschen Champagner, Sherry und Wein zum Runterspülen. Laut Berichten britischer Medien hat er, Hohoho, durch den immerwährenden Festschmaus bereits mehr als einen Zentner Gewicht zugenommen.

Es gibt freilich auch Menschen, die schon in der zehnten Vorweihnachtswoche Schnappatmung bekommen, wenn sie Weihnachtliches nur sehen, hören oder riechen. Und die bei dem Gedanken daran, dass es noch 33 Tage dauern wird, bis das Christkind endlich im Anflug ist, nahezu am Verzweifeln sind. Wer es sich leisten konnte, sitzt an einem Strand, wenn heute die ersten Adventsmärkte eröffnet werden. Die anderen müssen sich zu Hause einsperren oder, schlimmstenfalls, sich nach einem günstigen Therapeuten (bloß keine Tannenbaumtherapie!) umschauen.

Doch wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. In unserem Fall aus Höhenkirchen, wo die dortige Burschenschaft heute, also mitten in der Vorweihnachtszeit, mit der ganzen Dorfgemeinschaft auf dem Stürzer-Hof feiert und dabei keinen Baum aufstellt, sondern einen umlegt. Und es handelt sich nicht um einen Christbaum, sondern um den Maibaum. Dieser wird in Scheiben geschnitten und verkauft. Ganz ohne Jingle Bells, dafür mit zünftiger Musik der "Wiesn Buam". Für das leibliche Wohl sei gesorgt, versprechen die Burschen. Man kann nur hoffen, dass Leberkäs und Bier auf den Tisch kommen und nicht Plätzchen und Glühwein. Sonst holen wir Tante Milla dazu.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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