Kreis und quer:Monarch ohne Märchen

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Nicht nur der Märchenkönig hat eine treue Fangemeinde, sondern auch König Otto - natürlich in Ottobrunn

Von Martin Mühlfenzl

Für den in seiner Heldenverehrung stets standhaften Bayern war schon immer klar, dass es sich nur um eine Verschwörung handeln konnte. Und nachdem jetzt herausgekommen ist, dass der Märchenkönig selbst in seinem allerletzten Brief an seinen Vetter Prinz Ludwig Ferdinand - offenbar vollkommen geistesgegenwärtig - von einer Verschwörung schrieb, weiß der freistaatliche Königstreue: "Eben, der war überhaupt nicht deppert!"

Ludwig II. war und ist ein Mythos und wird immer einer bleiben. Dafür sind schon seine Bauten verantwortlich - die einen freilich immer noch grübeln lassen, ob bei dem Wittelsbacher nicht doch die ein oder andere monarchische Schraube locker war. Dementsprechend war die "schändliche Verschwörung" und Entmündigung die richtige Entscheidung.

Gedanken dieser Art müssen sich die Königstreuen im Landkreis nicht machen. Sie orientieren sich vielmehr an einem Monarchen, dessen Geisteszustand als vollkommen einwandfrei bezeichnet werden darf. Wie auch jener der Verehrenden. Sie treffen sich meist in eher schmucklosem Ambiente. Ihnen fehlt die treu-folkloristisch anmutende Hingabe der Ludwigianer, die in ihrem König die Verkörperung des Bayerischen sehen. Gemeint sind die Freunde und Mitarbeiter des König-Otto-Museums und des Förderkreises in - natürlich - Ottobrunn. Während also an den Stammtischen von Hof bis Bad Reichenhall die Trachtler den Bierkrug zum Wohle des Märchenkönigs unter dem Porträt desselbigen erheben, stecken sie in Ottobrunn die Köpfe zusammen, um die Geschichte eines Bayern auf dem griechischen Throne weiter aufzuarbeiten. Sie pflegen mit Hingabe und Detailverliebtheit das kleine Museum, das sich einen guten Ruf weit über die Grenzen der Gemeinde hinaus erarbeitet hat, die nach dem Sohn Ludwig I. von Bayern, benannt worden ist. Sie tauchen ein die Geschichte des - im Vergleich zu Ludwig II. - weithin unbekannten Monarchen, begeben sich in Griechenland auf Spurensuche und ersteigern schon mal in Athener Auktionshäusern wichtige Dokumente aus der Zeit König Ottos.

Das hat mit Heldenverehrung nichts zu tun. Das liegt auch daran, dass Otto den Griechen damals eine einigermaßen funktionierende Verwaltung und ein infrastrukturelles Investitionsprogramm beschert hat, anstatt das Geld in bezaubernden Märchenschlössern zu versenken. Vom Hof jagten die revolutionären Griechen ihren König im Jahr 1862 trotzdem. Der wählte als Exil übrigens die fürstbischöfliche Residenz in Bamberg. Logisch, Ottobrunn wurde erst vier Jahrzehnte später gegründet. Neben dem Museum erinnert heute noch die Ottosäule aus dem Jahr 1834 an den bayerischen König der Griechen, der sich genau hier zwei Jahre zuvor von seinem Vater verabschiedet hatte; das war es dann aber mit Glanz und Gloria im so beschaulichen und schmucklosen Ottobrunn. Aber das passt, schließlich hängen sie hier keinen Verschwörungstheorien an. In Ottobrunn erkunden die Königstreuen Geschichte.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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