Kreis und quer:Bitte vorher anmelden

Lesezeit: 2 min

Von einem Dieb erwartet niemand, dass er sich vorher bei der Polizei meldet, bevor er auf Beutezug geht. Bei Maibaum-Dieben ist das anders, sie können sogar eine Polizei-Eskorte beantragen.

Von Michael Morosow

Es gibt Wörter, die begleiten dich durchs ganze Leben. "Anmeldung" ist ein solches. Die Google-Suchmaschine spuckt dazu 103 Millionen Einträge aus, damit deutlich mehr als zum Beispiel zum FC Bayern München (45,2 Millionen) oder zu Horst Seehofer (3,54 Millionen). Oft tritt die Anmeldung mit ihrem großen Bruder "Termin" (110 Millionen) in Erscheinung. Wer es zum Beispiel versäumt, sein Kind rechtzeitig, also kurz nach dem Eisprung, für den Kindergarten anzumelden, kann schauen, wo er bleibt. Einen Arztbesuch ohne vorherige Anmeldung wagen nur noch Kranke mit gutem Sitzfleisch. Und wer seinen Wohnsitz, sein Auto oder seinen Fernseher nicht anmeldet, kriegt Ärger.

Der Zwang zur Anmeldung macht vor nichts und niemandem Halt. Seit einiger Zeit schon müssen selbst Diebstähle vor ihrer Ausführung angemeldet werden. Verständlicherweise nicht alle, denn wer ist schon so dumm und teilt dem Juwelier mit, dass er ihn in der folgenden Nacht um ein paar Klunker zu erleichtern gedenkt. Aber Maibaumdiebe sollen so dumm sein, ihren Coup 14 Tage im Voraus beim Landratsamt anzumelden, weil es sich bei der Flucht mit der Beute um einen Schwertransport handelt. Doch nicht nur das: "Gesetzestreue Diebe sollten die Polizei über ihr Vorhaben informieren, damit sie den Maibaum eskortiert", schreibt das Polizeipräsidium Oberbayern-Ost. Ja, so weit ist es gekommen im Land der Anmeldungspflicht, dass sich Diebe gesetzestreu verhalten, wenn sie ihre Tat vorher ankündigen und dann sogar die Polizei für sie Schmiere steht.

Die Anmeldungspflicht breitet sich geradezu wie ein Steppenbrand aus und hat nun auch die Feuerwehren erfasst. Es ist ihnen zwar weiterhin gestattet, ein in Flammen stehendes Haus ohne vorherige Anmeldung zu löschen. Auch dürfen sie weiterhin wie gewohnt ohne ein langes Genehmigungsverfahren einen eingeklemmten Unfallfahrer mit dem Rettungsspreizer aus seiner Notlage befreien. Aber wenn sie das Retten, Bergen und Löschen trainieren wollen, dann müssen sie ihre Übung rechtzeitig anmelden und bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung beantragen.

Dass bei den Wehren deshalb Feuer am Dach ist, versteht sich. Dieser Aufwand sei nicht gerechtfertigt, zumal die Feuerwehren jetzt schon Tausende Stunden im Jahr für Verwaltungsaufgaben aufbrächten, schimpfen ehrenamtliche Rettungskräfte. Die logische Folge: Es wird das Retten weniger trainiert. Im schlimmsten Fall könnte das für unsereins bedeuten, dass ein eifriger, aber schlecht trainierter Feuerwehrmann uns bei der Anwendung des Rettungsspreizers ins Ohr schneidet und wir seine Entschuldigung: "Das tut mir leid, aber ich bin ein wenig aus der Übung", akzeptieren müssen. Für das Wort "realitätsfern" finden sich bei Google 152 000 Einträge.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: