Kommunalwahl in Milbertshofen-Am Hart:E-Mails an Fredy

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Von einer Scharmützel-Runde zur Kuschelstunde: Die scheidende Bezirksausschuss-Vorsitzende Antonie Thomsen (SPD) legt Wert auf eine faire Gesprächskultur. Auf welche sich das neu gewählte Gremium dann einigt, muss sich zeigen. Spannend wird auf jeden Fall, wer den Vorsitz übernimmt.

Von Thomas Kronewiter

Wer sich noch an die legendären Brüll-Duelle zwischen CSU-Mann Hubert Leister und seinem (deutlich leiseren, wenngleich genauso aufgeregten) Grünen-Widerpart Helmut Jahraus aus den Neunzigerjahren erinnert, für den sind die Wahlkampfscharmützel des Jahres 2014 im Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart regelrechte Kuschelstunden. Daran hat sicherlich die scheidende Vorsitzende Antonie Thomsen (SPD) erheblichen Anteil, die zum einen ohnehin meist um Ausgleich bemüht ist, zum anderen mit ihren 64 Jahren aber auch nichts mehr werden will. Und natürlich spielt eine Rolle, dass der Politiker-Typus mit Ecken und Kanten, der sich auch einmal mit Leidenschaft in die Nesseln setzt, kaum noch auftaucht auf den Bewerberlisten für die Basisgremien, in denen viel gearbeitet wird, in denen aber auch ordentlich Frust zusammenkommt angesichts begrenzter Kompetenzen und dünner Erfolge.

Dementsprechend reibungslos laufen die Geschäfte nördlich des Petuelrings. Da hält die Bezirksausschuss-Vorsitzende die Fraktionsführungen auf dem E-Mail-Wege auch abseits der Plenumssitzungen auf dem laufenden, schickt dem "lieben Fredy" von der eigenen Partei im gleichen Atemzug die gleichen Informationen wie dem "lieben Erich" von der CSU. Schärfe bringt in die Mittwochabende, an denen die (noch) 31 Mitglieder des Bezirksausschusses ihre Tagesordnungen abarbeiten, allenfalls Thomas Schwed. Der Milbertshofener CSU-Ortsverbandschef, der sich vor Jahren nach rechtspopulistischen Äußerungen im Internet unerfreulicher Schlagzeilen ausgesetzt sah, innerparteilichen Attacken dann aber erfolgreich widersetzte, hat nach vielmonatigem (erzwungenem) Stillhalten die Lust an der Verbalattacke wiederentdeckt.

Besonders gern schlägt der Politologe Schwed bei Themen zu, anhand derer sich das konservative Profil gut schärfen lässt - wobei er dann in der Zuspitzung nicht zimperlich ist. Jüngstes Beispiel lieferte die Debatte um die Aufstellung eines sogenannten Präventionsautomaten, sprich: eines Spritzenautomaten für Drogensüchtige. Die SPD: grundsätzlich dafür, aber nicht an jedem beliebigen Standort. Die CSU: grundsätzlich dagegen. SPD-Fraktionschef Alfred ("Fredy") Hummel-Haslauer formuliert die Bedenken seiner Fraktion, die sich einen Spritzenautomaten etwa direkt neben dem Sozialbürgerhaus nicht vorstellen kann: Viele Drogensüchtige seien auch soziale Problemfälle, so Hummel-Haslauer - da sei es logisch, dass sie nicht in Sichtweite ihrer Sachbearbeiter aus dem Sozialbürgerhaus Spritzen aus dem Automaten ziehen wollten. Thomas Schweds Konter: Man müsse fassungslos sein, dass ein Klient des Sozialbürgerhauses von der SPD "automatisch auch als Drogenkonsument gesehen wird".

So hat das Hummel-Haslauer natürlich nicht gesagt - und noch weniger so gemeint. Aber zum billigen Rhetorik-Angriff taugte die Aussage denn doch. Dabei hätte die CSU solche Angriffe gar nicht nötig: In aller Regel argumentiert CSU-Sprecher Erich Tomsche, ein selbständiger Verkaufsleiter, sachbezogen und konsequent, im Tonfall moderat, mitunter sogar witzig. Taxi-Unternehmer Hummel-Haslauer hat es schwer, rhetorisch mitzuhalten. Und besonders leicht macht es ihm auch seine Fraktion nicht, die mitunter abenteuerliche Argumentationssprünge macht, wenn sie die eigene Haltung erklären will - und dies eigentlich nicht kann.

So war die Linie der CSU etwa bei der Förderung von Mobiliar mit Hilfe von Geld aus dem Bezirksausschuss-Etat unter Verweis auf eine vor Jahren überfraktionell getroffene Vereinbarung immer gleich unnachgiebig: Immer wieder sagten die Konservativen auf entsprechende Anträge nein. Die SPD dagegen vermochte nicht recht zu erklären, warum man etwa der Versöhnungskirche Küchen-Mobiliar für die Leseinsel zusammenstrich, dem Stadtteilkulturzentrum 2411 dagegen einen schallschluckenden Vorhang spendierte. Die abenteuerliche Formulierung, bei letzterem sei es nicht um einen Einrichtungs-, sondern vielmehr um einen Ausstattungsgegenstand gegangen, sorgte nicht nur auf den Besucherrängen für Heiterkeit.

Ähnlich konfus dann die SPD-Äußerungen zu den Parkplätzen für das neue Sport-Elitegymnasium an der Knorrstraße: Während die CSU klare Kante zeigte, für eine Tiefgarage und generell für mehr Parkplätze eintrat, eierte die SPD herum, wollte erst die Tiefgarage, um oberirdisch mehr Plätze für die Schule zu haben. Wollte aber auf keinen Fall mehr Parkplätze insgesamt - und zog aus Angst, falsch verstanden zu werden, dann eine Sitzung später den ganzen Beschluss zurück.

In diesem Spannungsfeld fühlte sich der Wirtschaftswissenschaftler und FDP-Wortführer Claus Wunderlich nunmehr zwei Amtsperioden lang ausgesprochen wohl, teilte nach allen Seiten aus und votierte grundsätzlich gegen die Ausgabe von Steuergeld, gegen die Bevormundung von Grundeigentümern bei Baumfällungsanträgen und natürlich auch gegen Ersatzpflanzungen. Eine wirklich prägende Rolle vermochte die FDP, nicht einzunehmen - zu gut hielt die rechnerische Mehrheit der SPD, der Grünen und der ÖDP, welche meist - aber nicht immer - mit den Genossen stimmten. Die Grünen profitierten insbesondere von den Rathaus-Erfahrungen der Stadträtin Jutta Koller, die immer wieder gesamtstädtische Belange und Ortskenntnis in die Diskussion einbrachte, mitunter mit wertvollen Hintergründen aufwartete und ihre Politik stets nachvollziehbar zu erklären wusste.

Der neue Bezirksausschuss, der im Frühjahr 2014 antritt, dürfte - obwohl sich mit Ausnahme der scheidenden Vorsitzenden Antonie Thomsen das bisherige Spitzenpersonal wieder bewirbt - ein wenig anders aussehen. Zum einen ist kaum zu erwarten, dass sich die zuletzt auf allen Ebenen gebeutelte FDP dem generellen Negativtrend entziehen und den Erfolg von 2008 nahtlos wiederholen kann. Zum zweiten haben sich die Grünen auf ihre Stärken besonnen und nach der Listenverbindung mit der ÖDP von 2008 nun wieder ein eigenständiges Personalangebot gemacht. Das wiederum hat die ÖDP unter Zugzwang gesetzt, die in Milbertshofen-Am Hart unter dem Spitzenkandidaten Leo Meyer-Giesow gemeinsam mit den Freien Wählern antritt. Unter diesen Vorzeichen kann es ausgesprochen spannend werden: Wirklich absehen lässt sich nicht, wer am 9. April in der konstituierenden Sitzung genug Stimmen auf sich vereinigen kann, um den Vorsitz zu übernehmen.

© SZ vom 07.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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