Kommentar:Überflüssiges Placebo

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Obwohl die Sicherheitslage erstklassig ist, plädieren Polizeichefs für die Bürgerpatrouille

Von Martin Mühlfenzl

Es ist schon ein wenig schizophren. In einer Stadt, der selbst der zuständige Polizeichef eine "erstklassige Sicherheitslage" bescheinigt, wirbt eben jener Leiter der Polizeiinspektion für eine Sicherheitswacht. Wie immer tut er dies - wie die meisten seiner Kollegen im Landkreis - mit dem Verweis, "das subjektive Sicherheitsgefühl" der Bürger müsse gesteigert werden. Was denn nun? Ist es in Unterschleißheim sicher - aber gefühlt unsicher? Eines ist sicher: Es braucht keine Bürger in Uniform, die suggerieren, sie wären die Garanten der Sicherheit. Egal, ob gefühlt oder real.

Dass ausgerechnet die Leiter der Polizeiinspektionen im Landkreis für Hilfssheriffs ohne weitreichende Befugnisse werben, hat einen einfachen Hintergrund: Sie müssen ihrem obersten Dienstherrn, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, folgen, der die Sicherheitswachten in den Kommunen massiv ausbauen will. Ob dies tatsächlich im Interesse der Polizisten in den Dienststellen ist, darf indes bezweifelt werden. So verwundert es kaum, dass sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft als auch die Gewerkschaft der Polizei ernsthafte Zweifel an dem Projekt hegen: Es sei ein Placebo, Sicherheit müsse durch Profis gewährleistet werden, heißt es aus den Interessenvertretungen. Und damit haben die Gewerkschafter vollkommen recht. Die Sicherheitswachten sind zum Politikum geworden - zum Spielball einer äußerst nervösen bayerischen Staatsregierung, die den Rechten das Wasser abgraben will, indem sie nicht vorhandene Bedrohungen aufbaut und den Bürger selbst als vermeintliche Lösung in Uniformen packt.

Wie gut das funktioniert, zeigt das Beispiel Ottobrunn. Dort ist seit geraumer Zeit eine Handvoll Hilfssheriffs ein paar Stunden in der Woche unterwegs. Die Ehrenamtlichen kontrollieren Spielplätze, beobachten rauchende Jugendliche, grüßen freundlich auf dem Bürgersteig. Kein einziger dieser Bürger in Uniform kommt aber aus der Gemeinde; Auswärtige haben sich zum Dienst gemeldet. Warum das so ist, lässt sich mit der Sicherheitslage in Ottobrunn erklären. Die ist wie überall im Landkreis so erstklassig, dass es diese Form des freiwilligen Polizeidienstes einfach nicht braucht.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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