Adventswerkstatt:Eisige Weihnachtswünsche

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Thomas Tremml gestaltet in seiner Ismaninger "Eiswerkstatt" Skulpturen für Anlässe jeder Art, vom Weihnachtsbuffet bis zur Hochzeit mit Schwan oder Elefant. Mittlerweile arbeitet auch sein Sohn Philipp mit, der gerne später mal die Nachfolge antreten möchte

Von Antonia Hofmann

Frohe Weihnachten - der geschwungene weiße Schriftzug wurde in einen großen Eisblock gefräst, der jetzt auf einem langen, ebenfalls gefrorenen Bartresen thront. Thomas Tremml hat seine Hände um den Block gelegt, der Blick ist auf seinen Sohn gerichtet. Philipp Tremml lässt die elektrische Fräse langsam ins Eis gleiten, feiner Schneestaub sprüht in die Luft, das vibrierende Werkzeug surrt schrill. Alltag in einem ungewöhnlichen Familienunternehmen.

In ihrer Ismaninger Eiswerkstatt erschaffen Tremml und sein "Ice Team", bestehend aus Sohn Philipp, Lebensgefährtin Anita Ratzka und Mitarbeiter Ricci Prandl, Tag für Tag kleine und große Kunstwerke aus dem, wie er sagt, saubersten Rohstoff der Welt. Firmen und Privatpersonen bestellen bei dem 50-Jährigen Schwäne, Elefanten oder ganze Eiswelten aus gefrorenem Wasser. Jetzt im Advent schnitzt Tremml Tischdekorationen für Weihnachtsfeiern, entwirft Skulpturen für Festtagsbuffets oder fräst Neujahrswünsche in kleine Eisblöcke. Eine frostige Aufgabe. Im Kühlraum warten die fertigen Kunstwerke auf ihre Auslieferung. Hier herrschen minus acht Grad Celsius, die Tremmls tragen dicke Winterjacken. Sohn Philipp ärgert sich. Er hat heute nur Turnschuhe angezogen, "meine Füße sind schon wieder kalt und feucht", sagt der 23-Jährige.

Irgendwann schmilzt auch das schönste Kunstwerk. Aber vielleicht hat es gerade deshalb seinen Reiz. (Foto: Robert Haas)

Das Wasser wird in rechteckigen Wannen von Glycol umgeben eingefroren. "Wie in kleinen Swimming Pools", erklärt Tremml. Kleine Teichpumpen halten das Wasser in Bewegung. Je nach Größe der Wanne dauert es zwischen sechs Tagen und acht Wochen, bis ein Block vollständig durchgefroren ist. Danach sei gutes Werkzeug alles, sagt Tremmls Sohn. Mit einem Blockschneider wird das Eis auf die richtige Größe geschnitten, mit einer speziellen Maschine werden Firmenlogos oder Muster vom Computer auf das Eis übertragen und detailgetreu gefräst. Heute verläuft dieser Prozess von vorne bis hinten reibungslos. Das war nicht immer so.

Ende der Achtziger arbeitete Tremml in der Gastronomie, sein Beruf erfüllte ihn nicht. "Ich wollte nicht als normaler Koch hinterm Herd sterben." Im Fernsehen sah er einen japanischen Eiskünstler, er war sofort begeistert und wollte loslegen. Doch Tremmls erstes Eis war alles andere als kristallklar, es wurde trüb und milchig. Vom Ehrgeiz gepackt recherchierte der junge Mann, beobachtete die Natur und tüftelte vor sich hin. Der Schlüssel für klares Eis, so ging ihm auf, liege in der Bewegung des Wassers während des Gefriervorgangs. Seine erste Eismaschine baute Tremml noch mit Teilen vom Schrottplatz, 1990 gründete er eine eigene Firma. Seine Werkstätte wurden immer größer, bis Tremml vor rund einem Jahr in die Halle am Ismaninger Ortsrand zog.

Eiskünstler Thomas Tremml war früher Koch. (Foto: Robert Haas)

Große Automobilkonzerne, Juweliere und Edelrestaurants stehen heute genauso wie kleine Firmen und Privatpersonen in seiner Kundenkartei. Die Motivation der Leute, sagt er, sei immer dieselbe. "Sie alle möchten sich von der breiten Masse abheben und zeigen, dass sie es sich für diesen einen Augenblick, für wenige Stunden oder Tage leisten können." Denn innerhalb kurzer Zeit wird auch die größte Eisskulptur wieder zu Wasser. Aber nicht jeder versteht Tremmls Handwerk. Verschwendung - "solche Worte hören wir schon manchmal", sagt er. Mittlerweile würden sie aber alles tun, um dagegenzuhalten. Etwa 90 Prozent des Strombedarfs produziert eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach der Halle. Eisreste, die beim Schnitzen anfallen, dienen dazu, neues Wasser abzukühlen. "Der grüne Aspekt, die Nachhaltigkeit, das ist wichtig."

Dass Tremmls Sohn heute zum Team gehört, war nicht geplant. In den vergangenen Jahren hatte ihn die vergängliche Kunst des Vaters aber immer mehr fasziniert. Heute weiß Philipp Tremml: Er bleibt dabei. Irgendwann möchte der gelernte Einzelhandelskaufmann die Firma übernehmen und dann "nochmal eins drauf setzen".

Tremml ist wichtig, dass sein Sohn das Handwerk mit all seinen Facetten kennenlernt. Dazu gehöre auch, mit der Hand zu schnitzen. "Er muss darin kein Weltmeister werden. Aber er sollte schon wissen, wie es geht." Neben Geduld, Perfektionismus und starken Nerven verlange der Beruf vor allem ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. "Das dreidimensionale Denken, das hat er." Das Wissen, das der einstige Koch selbst in über 25 Jahren erworben hat, findet sich aber in keinem Lehrbuch. "Diese Erfahrung kann der Philipp auch nicht innerhalb von zwei oder drei Jahren sammeln." Das brauche seine Zeit, sagt er. Philipp Tremml will sich alle Mühe geben. "Mein Vater verlangt von allen Mitarbeitern 120 Prozent", sagt er. "Von mir vielleicht ein bisschen mehr."

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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