Host City Contract für Olympia 2018:Die Katze im Sack

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An diesem Mittwoch wird aller Voraussicht nach der Host City Contract für die Olympiabewerbung abgesegnet. Ob das IOC einen Knebelvertrag vorgelegt hat, darüber streiten die Experten. Klar ist nur: Kaum ein Politiker dürfte überblicken, worüber er entscheidet.

Heiner Effern

Der Münchner Stadtrat und der Gemeinderat in Garmisch-Partenkirchen werden an diesem Mittwoch weitreichende Entscheidungen treffen. Sie werden München als Ausrichter und den Deutschen Olympischen Sportbund ermächtigen, im Falle eines Zuschlags für die Winterspiele 2018 einen Vertrag mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) abzuschließen, der auch umfassende Garantien miteinschließt.

Der Entwurf dieses Host City Contracts findet sich in den Sitzungsunterlagen der Kommunalpolitiker. Er umfasst 58 Paragraphen auf 80 Seiten und schließt etwa 30 Handbücher des IOC ein. Vor einem Jahr nannte selbst der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude die Verteilung von Rechten und Pflichten eine "Zumutung" für die Gastgeber. Und in Salzburg hielten Experten den Vertrag, der ihnen für die Bewerbung für die Spiele 2014 in ähnlicher Form vorlag, teils gar für "sittenwidrig".

Der Münchner Sportrechtler Mark Orth dagegen hält dieses Urteil für oberflächlich und nicht nachvollziehbar. Der Anwalt lehrt an der Sporthochschule Köln internationales Sportrecht und beriet im Hintergrund den FC Bayern im Stadionstreit mit dem TSV 1860 München. Er vergleicht den Host City Contract mit einem Franchise-Vertrag, wie ihn auch Betreiber eines Burger-Restaurants oder eines Backshops abschließen. "Kern dieses Vertrags ist vor allem eine Lizenz, die das IOC an den Ausrichter vergibt", sagt Orth nach einer Prüfung des Papiers.

Eine "straffe Einbindung" des Franchisenehmers, die ihm nur einen geringen unternehmerischen Spielraum einräume, sei gar erforderlich, um die Qualitätsstandards und die korrekte Anwendung des zur Verfügung gestellten Know-hows zu garantieren.

Die Dominanz des IOC in den Verträgen sei gegeben, müsse aber in der Praxis kein Problem sein, sagt Orth. Denn dem IOC selbst sei wichtig, die Winterspiele so erfolgreich ablaufen zu lassen, dass sie auch künftig ambitionierte Austragungsorte finden und entsprechende Gewinne erwirtschaften. "Auch deswegen ist nicht zu befürchten, dass das IOC die an vielen Orten im Vertrag bestehenden einseitigen Bestimmungsrechte willkürlich ausübt", sagt Orth.

Zu einem anderen Urteil kommt Peter Heermann, Professor für Sportrecht an der Uni Bayreuth, der den Vertrag im Auftrag des Grünen-Landtagsabgeordneten und Olympia-Kritikers Ludwig Hartmann geprüft hat. Einer ersten Einschätzung zufolge gebe es Hinweise, dass sich das IOC "dem Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung" aussetze, schreibt er. Bei Olympischen Spielen zahlten die Gastgeberstädte keinen Preis für deren Durchführung an das IOC, sondern erbrächten zahlreiche Werk- und Dienstleistungen. "Damit stellt sich die kaum exakt zu beantwortende Frage nach der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung", heißt es in Heermanns Stellungnahme.

Als Beispiel nennt er die Paragraphen, die die Finanzierung festlegen. Dort seien in manchen Bereichen genaue Prozentzahlen festgelegt. Bei anderen wichtigen Posten wie den TV-Einnahmen liege die Aufteilung der Erlöse laut Vertrag alleine beim IOC. "Man kann deshalb nur sehr schwer abschätzen, was das Ganze kosten soll."

Heermann verweist darauf, dass zum Vertrag auch etwa 30 Handbücher des IOC gehören, die vor dem Abschluss zu sichten seien. Sie regeln etwa Fragen des Markenschutzes, der Verpflegung oder der Ausrichtung von IOC-Treffen. "Man sollte solch einen Vertrag sehr genau prüfen, wenn so viel Geld im Spiel ist", rät Heermann. "Oder aber es ist politisch so stark gewünscht, dass dies überwiegt."

Dass zum Teil ehrenamtliche Stadt- und Gemeinderäte dies in der Kürze der Zeit nicht bewältigen können, daran zweifelt nicht nur Sportrechtsexperte Heermann. Umso mehr sind die Kommunalpolitiker auf die Vorarbeit der Verwaltung angewiesen, die die Beschlussvorlage für die Gremien erarbeitet hat. In der Garmisch-Partenkirchner Version steht unter der Überschrift Gastgebervertrag: "Gemessen am deutschem Rechtssystem sind Verpflichtungen in dem vom IOC gewünschten Umfang eigentlich nicht möglich."

Eine rechtliche Prüfung und Bewertung, wie sie sonst bei Verträgen üblich sei, sei bei den vom IOC geforderten Unterlagen "auch nicht zielführend", da die Auslegung des Vertrags nach Schweizer Recht erfolge und die rechtlichen Vorgaben des IOC ohnehin nicht verhandelbar seien. "Hinzu kommt, dass die Bewerbungsdokumente sehr umfangreich sind und dazu noch jederzeit einseitig vom IOC abgeändert werden können."

Bei Streit zwischen den Parteien gilt nach den Vertragsvorgaben des IOC Schweizer Recht. Kein Problem, findet Sportrechtler Orth. Im Gegenteil: Für das IOC sei es bei den vielen internationalen Ausrichtern von Olympischen Spielen sinnvoll, eine Rechtsordnung für alle Bewerbungen zu vereinbaren. "Das Schweizer Recht ist nun für das IOC etwa im Vergleich zum deutschen Recht nicht besonders günstig", sagt Orth.

Und auch eine ungerechte Verteilung des Erlöses kann der Sportrechtler nicht erkennen. Bei einem üblichen Lizenzvertrag werde eine abstrakte Mindestsumme, also ein Fixbetrag festgesetzt, erklärt Ort. Im Host City Contract hingegen behalte sich das IOC nur gewisse Erlöse vor. Letztlich liefere es sich dadurch stärker dem wirtschaftlichen Risiko eines Veranstalters aus, als es unbedingt müsste.

© SZ vom 06.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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