Historie:Sensationelles Stück

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Das Unterschleißheimer Heimatmuseum verfügt über einen Dreschschlitten, der Fachleute aus Archäologie, Geologie und Holzkunde beschäftigt. Ein solches Gerät ist in unseren Breiten vollkommen ungewöhnlich

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Das Unterschleißheimer Heimatmuseum wartet mit einem außergewöhnlichen Stück auf: Seit den Anfangstagen der Sammlung steht hier wie selbstverständlich in den Ausstellungsräumen ein alter Dreschschlitten aus der Gegend. Erst jetzt wird allmählich entdeckt, dass es sich hier um ein zumindest ungewöhnliches Stück handelt, wenn nicht gar um eine kleine Sensation.

Bei der professionellen Inventarisierung der heimatkundlichen Sammlung als Grundlage des Heimatmuseums war das Gerät als "ungewöhnlich" aufgefallen, wie Kulturamtsleiterin Daniela Benker sagt, "weil solche Geräte nördlich der Alpen nicht in Gebrauch waren". Der paläontologische Geologe, der das Objekt genauer untersuchte, fand dann noch heraus, dass der Unterschleißheimer Dreschschlitten "in Größe und Konstruktionsweise einzigartig" sei. So wurden bei diesem Stück für die Klingen an der Unterseite nicht wie üblich Feuersteine, im Fachjargon Flint genannt, verwendet, sondern Quarzite verschiedener Schattierung. Gerade werden nun Untersuchungen zur Datierung seiner Entstehung mit der sogenannten C14-Methode, einer Radiokohlenstoffdatierung, unternommen. Auch Fachleute aus Archäologie, Prähistorik, Dendrochronologie und Holzkunde sind bereits mit dem Schlitten befasst. "Wir sind dran, ihm seine Geschichte zu entreißen", sagt Benker.

Angesichts der Historie der Sammlung als rein private Arbeit von Heimatforscher Wolfgang Christoph ist auch die Herkunft nicht wissenschaftlich dokumentiert. Nach Benkers Informationen stammt der Schlitten aus einer ehemaligen Gärtnerei zwischen Ober- und Unterschleißheim und wurde der Sammlung geschenkt. Mit dem Dreschschlitten, der bereits in der Urgeschichte nachgewiesen ist, wurden im Nahen Osten Getreide und Hülsenfrüchte entpelzt. Illustrationen aus der Zeit um 3500 vor Christus aus Mesopotamien zeigen die Schlitten beim Dreschen. Das Vorderteil ist wie bei einem Schlitten kufenartig nach oben gebogen, um die Getreidehalme unter den Schlitten zu leiten, auf der Unterseite sind klingenförmige Abschläge angebracht. Auf dem Schlitten wurde der Bauer gezogen, um mit seinem Gewicht den Druck auf die Halme zu erhöhen. Gelegentlich wurden zusätzlich Steine als Gewicht aufgelegt. Das Gerät ist bis heute im gesamten mediterranen Raum und bis in den Orient genutzt. Von der Zweckentfremdung des Dreschschlittens als Straf- und Folterinstrument soll sich die Redewendung herleiten "mit jemanden Schlitten fahren". In Nordeuropa war der Dreschflegel für die Erntezwecke geläufiger.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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