Grüne nach Klinik-Skandal:"Ein Riesenschaden für unsere Partei"

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Durch den Klinikskandal sind die Münchner Grünen unter Druck geraten. Die Parteichefs Hanna Sammüller und Nikolaus Hoenning über die Folgen des Skandals und Münchner Personalpolitik.

D. Hutter und S. Lode

In Folge des Hygieneskandals mussten drei Klinik-Geschäftsführer den Hut nehmen: zwei SPD-Männer und der besonders umstrittene Reinhard Fuß (Grüne). Dominik Hutter und Silke Lode sprachen mit den grünen Parteivorsitzenden, Hanna Sammüller und Nikolaus Hoenning, über die rot-grüne Personalpolitik.

Fordern weitreichende Konsequenzen aus dem Klinik-Skandal: die Münchner Grünen-Chefs Nikolaus Hoenning und Hanna Sammüller. (Foto: Robert Haas)

SZ: Dem Klinik-Skandal haftet mehr und mehr der Ruf an, Folge eines rot-grünen Postengeschacheres zu sein. Wie groß ist der Schaden für die Grünen?

Hanna Sammüller: Enorm. Das Traurige daran ist, dass wir jahrelang geackert haben, um Anerkennung für unsere Positionen zu bekommen. Wir mussten klarmachen, dass wir seriöse Politik machen und keine Spinner sind, die das Blaue vom Himmel versprechen. Es ist ein Riesenschaden für die Partei, dabei können nicht wir etwas für diesen Skandal, sondern einige wenige Personen. Aber wir sehen uns in der Pflicht, das aufzuklären.

SZ: "Einige Personen" - wer denn?

Sammüller: Natürlich insbesondere Reinhard Fuß. Wenn er nicht die erforderliche Qualifikation für diese Führungsposition mitbrachte, ist das eine Sache. Eine andere Sache ist es, ein Jahr lang Mängel totzuschweigen und gegenüber Kollegen, Parteifreunden, dem Bürgermeister und dem Aufsichtsrat zu behaupten, die Probleme wären gar nicht so gravierend.

SZ: Reinhard Fuß wurde berufen, bevor Sie Parteichefs waren. Wie erklären Ihnen die Altvorderen diese Personalie?

Sammüller: Die berufen sich auf die Qualifikation, die er im Referat für Gesundheit und Umwelt gesammelt hat. Er hat die Strategie entwickelt, wie die fünf Kliniken zusammengelegt werden, und hatte auf Grund dessen Kenntnisse und Erfahrung, wie das laufen sollte.

Nikolaus Hoenning: In dem Skandal kann auch eine riesige Chance stecken. Wir müssen als Partei konstruktiv damit umgehen und selbstkritisch schauen, was schief gelaufen ist. Vor allem müssen wir dafür Sorge tragen, dass solche Skandale künftig verhindert werden. Bei Postenbesetzungen muss in erster Linie Kompetenz eine Rolle spielen. Es ist grundsätzlich auch legitim, dass Stadträte Posten mit Leuten besetzen wollen, denen sie vertrauen und die die Geschäfte in ihrem Sinne führen. Aber problematisch wird es, wenn Ausschreibungen stattfinden, wo diese Kriterien nicht drinstehen. Alle Bürger haben ein Recht zu wissen, wie die Entscheidungswege bei öffentlichen Posten sind. Wir wären gut beraten, parteiübergreifend für mehr Transparenz zu sorgen. Ich verstehe zum Beispiel auch nicht, warum das Gutachten über die Mängel bei der Sterilgutversorgung nicht öffentlich gemacht wird.

SZ: Gibt es andere Besetzungen nach Parteibuch, die Sie kritisieren?

Hoenning: Der Oberbürgermeister hat in einem Interview mit Ihrer Zeitung gesagt, dass die Führungsmannschaft der SPD ein Team von großer wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenz sei. An der Spitze der Stadtwerke steht der Energiemanager des Jahres, der Sozialdemokrat Kurt Mühlhäuser. Bei der Stadtsparkasse schreibt der SPD-ler Harald Strötgen auch in der Finanzkrise schwarze Zahlen. Daraus schließe ich, dass er sich diese Verbindung positiv anrechnet. Aber dann muss man auch damit leben, dass einem, wie im Klinik-Skandal, die Parteizusammenhänge auch negativ angerechnet werden. Herr Ude macht sich da aber einen schlanken Fuß, indem er das allein den Grünen zurechnet.

Sammüller: Es gibt Versager mit und ohne Parteibuch. Politisches Engagement darf bei der Postenbesetzung kein Nachteil sein, aber auch kein Vorteil.

SZ: Wie beurteilen Sie, dass Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker für den Chefposten bei Münchenstift gehandelt wird?

Sammüller: Diese Entscheidung soll im Jahr 2013 fallen. In diesem Zusammenhang ist beruhigend, dass der Aufsichtsrat von Münchenstift keine rot-grüne Mehrheit hat. Wenn ein Parteipolitiker diesen Posten bekommt, ist also eine gewisse Überparteilichkeit gewährleistet.

SZ: Ist es bei den Grünen Zeit für einen Generationenwechsel?

Sammüller: Ganz klar: ja. Diese Forderung besteht auch schon lange, sie ist bei den letzten Kandidatenaufstellungen leider ein wenig verhallt. Der Generationenwechsel hat durchaus schon begonnen, allerdings eher auf der Parteiebene. Ich bin mir sicher, dass sich bei den nächsten Aufstellungsversammlungen diese neue Generation klar durchsetzen wird.

Hoenning: Ein Generationenwechsel allein wird aber nicht ausreichen. Es muss Reformen geben, damit sich die nächste Generation nicht wieder in eine ähnliche Situation hineinmanövriert.

SZ: Welche Rolle wird dabei der aktuelle Skandal rund um Klinikhygiene und Postenschieberei spielen?

Sammüller: Ich glaube schon, dass das eine Rolle spielen könnte. Es könnte sich durchaus ein gewisser Vorwurf der Basis herauskristallisieren nach dem Motto: Ihr Mandatsträger seid seit 20 Jahren in diesen Kreisen, vielleicht habt ihr in dieser Zeit auch Scheuklappen aufgesetzt, habt vergessen, darauf zu achten, was die Bürger wirklich wollen.

SZ: Sind die nun kursierenden Vorwürfe der Postenschacherei für Grüne ein besonderes Problem?

Sammüller: Wie sensibel die Partei da ist, hat man bei Cem Özdemir gesehen, der nach der Bonusmeilenaffäre nicht mehr für den Bundestag nominiert wurde. Selbstverständlich setzen Grüne, die sich ja scherzhaft oft als Gutmenschen bezeichnen, an sich selbst hohe Anforderungen.

Hoenning: Ich halte es für falsch, wenn wir oder die Wähler denken, dass die Grünen die bessere Menschen sind. Wir sind im selben Parteiensystem, arbeiten nach den selben Spielregeln. Wir sind nur dann besser, wenn wir bereit sind, diese positiv zu verändern.

SZ: Welche Rolle spielt denn OB Ude im bestehenden System?

Hoenning: Ich denke, dass sein Einfluss natürlich sehr groß gewesen sein muss. Man kann nicht so tun, als wäre dies ein rein grünes Problem gewesen. Ich gestehe gerne ein, dass Rot-Grün hier etwas aufzuarbeiten hat. Aber da müssen alle mitmachen, es hilft nicht, sich auf einzelne Personen zu fokussieren.

Sammüller: Die CSU springt zu kurz bei ihrer Kritik an Hep Monatzeders Äußerung, dass sich kein Arzt beworben habe. Das trägt nicht zur Aufarbeitung bei.

SZ: Hat Hep Monatzeder noch eine Chance, 2014 OB-Kandidat zu sein?

Hoenning: Die Antwort auf diese Frage muss ich auf später verschieben. Denn wir haben 2014 alle Chancen, zur stärksten Kraft im Münchner Rathaus zu werden und vielleicht auch den OB zu stellen. Dazu aber muss sich die ganze Partei in den Wahlkampf stürzen, wir brauchen die Unterstützung von weiten Teilen der Bevölkerung. Und deshalb müssen diese Gruppen die Frage beantworten, wer Kandidat wird.

© SZ vom 24.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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