Drogenkonsum in München:Öffentlicher Raum zum Fixen

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Der Suchthilfeverein Condrobs fordert Orte, an denen Abhängige unter Aufsicht Drogen nehmen können. Der Grund: die hohe Zahl an Drogentoten. Sogar Politiker unterstützen die Forderung.

Martina Kollroß

Auf dem Regal sind zwei gläserne Kugeln. In der einen liegen Kondome, in der anderen Spritzen, zur Selbstbedienung. Daneben wurde eine PC-Ecke eingerichtet. An einem der Computer surft eine junge Frau im Internet. Es sind nur noch wenige Menschen da. Die meisten haben zu Mittag gegessen und sich dann wieder gegangen. Hühnerfrikassee und Salat gab es. Die Schüssel steht noch auf der Theke.

Bayerns größter Suchthilfeträger Condrobs fordert Räume, in denen Abhängige sich mit sterilem Besteck und unter Aufsicht Drogen spritzen können. In anderen Bundesländer wie hier in Hamburg gibt es bereits "Fixerstuben". (Foto: dpa)

Die Menschen, die noch hier sind, wirken extrem ausgezehrt, eingefallene Wangen, spndeldürre Körper. Hinten im Raum sitzt ein alter Mann auf einem Stuhl. Sein Fuß zittert unkontrolliert.

Auch Klaus Fuhrmann steht im Kontaktladen "Limit" in der Nähe des Hohenzollernplatzes. Der Bereichsleiter von Condrobs betreibt die Einrichtung bereits seit zehn Jahren. Der Kontaktladen ist eine sogenannte niedrigschwellige Anlaufstelle. Drogenabhängige bekommen hier neben sterilem Spritzbesteck und Essen Beratung angeboten.

Das alles ist Teil des "akzeptierenden Ansatzes", den Bayerns größter Suchthilfeträger Condrobs seit knapp vierzig Jahren verfolgt. Die Errichtung der Kontaktläden in München war Mitte der neunziger Jahre heftig umstritten. Dabei sind Alkohol und Drogen in den Räumen verboten. Die Abhängigen spritzen sich in der Wohnung oder auf der Straße. Manchmal mit tödlichen Folgen. Knapp 40 Drogentote gab es heuer bereits in München.

Klaus Fuhrmann macht das traurig und wütend zugleich. Der Bereichsleiter von Condrobs steht mit dem Rücken zu einem kleinen Schrein. Darauf stehen ein Kondolenzbuch und Sterbebilder. Der Tod ist bei seiner Arbeit allgegenwärtig. "In München und Bayern gibt es im Vergleich zum Bundestrend eine recht hohe Zahl von Drogentoten. Die meisten sterben beim Konsum daheim", sagt er. Um die Todesfälle zu verhindern, müsse es Räume geben, in denen Schwerstabhängige Drogen nehmen können und dabei kontrolliert werden.

"Konsumräume geben falsche Signale"

Diese Meinung teilt Lydia Dietrich, Fraktions-Chefin der Grünen im Stadtrat: "Entsprechende Fachkräfte könnten dort Hilfestellung leisten. Drogenkonsumräume machen also durchaus Sinn." Deshalb stellte sie zusammen mit Florian Vogel und Thomas Niederbühl von der Rosa Liste einen Antrag, der Drogenkonsumräume in Bayern voranbringen soll. In einigen Bundesländer sind diese Einrichtungen seit Jahren erprobt, doch in Bayern fehlt bislang eine Landesverordnung für den legalen Betrieb von Drogenkonsumräumen.

Klaus Fuhrmann, der seit 20 Jahren mit Drogensüchtigen arbeitet, hält Konsumräume für sinnvoll: Durch sie könne man auch Abhängige erreichen, die bisher nicht erreicht werden, der Zugang zum Hilfesystem sei einfacher und dem öffentlichen Konsum werde vorgebeugt.

Insgesamt stellt er fest, dass "die Forderung nach Drogenkonsumräumen breiter wird", auch der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern fordert die Einrichtungen. Eine Umfrage hat kürzlich ergeben, dass in München, Nürnberg und Augsburg Bedarf für je einen Konsumraum besteht.

Doch Polizei und CSU stellen sich bislang strikt dagegen.Bei der Polizei heißt es: "Die Hilfseinrichtungen in München reichen aus, Konsumräume geben falsche Signale. Drogenkonsum würde man dadurch indirekt akzeptieren." Ganz ähnlich klingt das bei Josef Schmid, dem Chef der Rathaus-CSU.

Klaus Fuhrmann kennt diese Argumente: "Die Akzeptanz ist ein Bayern-Problem." Dabei gebe es in München noch vergleichsweise viele Hilfsangebote, in Augsburg oder Ingolstadt sei die Versorgung von Suchtkranken ein "großes Problem". Allerdings weiß Fuhrmann auch, dass Bayern lange die Substitution bekämpft hat. Heute ist sie gängige Praxis. "Die neue Diskussion um Konsumräume bringt Zugzwang. Und möglicherweise bringt sie die Staatsregierung einfach ein Jahr später als eigenen Vorschlag."

© SZ vom 15.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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