Diskussion um Hygieneskandal:Keime und Krisen

Lesezeit: 2 min

Handelte es sich nun um ein Hygiene- oder ein Kommunikationsproblem? Chefärzte und Leitung des Klinikums Bogenhausen sind sich uneins, wer für den Hygieneskandal verantwortlich ist - und spielen die Sache herunter.

Dominik Hutter

Nichts passiert? Zeitweise konnte dieser Eindruck entstehen im Hörsaal des Klinikums Bogenhausen. Das Thema der öffentlichen Podiumsdiskussion lautete Hygiene - war aber, wenn es nach Michel Rodzynek geht, falsch gewählt. Schließlich hat die Krankenhausbranche "eher ein Informations- als ein Sterilisationsproblem", wie der Kliniksprecher aus Beiträgen der Ärzte bilanzierte.

Chefärzte und Leitung des Klinikums Bogenhausen sind sich uneins über die Verantwortlichkeit im Hygieneskandal. War alles am Ende gar nicht so schlimm? (Foto: Robert Haas)

Was dem Publikum wohl bedeuten sollte: Es haperte weniger an der Hygiene im Münchner Klinikskandal als an der Aufklärung der Öffentlichkeit, die durch die Berichterstattung in den Medien verunsichert worden sei.

War der Skandal also gar kein Skandal - obgleich die Sterilgutaufbereitung in Bogenhausen doch gar nicht von den Medien, sondern vielmehr vom Gesundheitsamt geschlossen wurde? So einfach wollte es sich der Chefarzt der Chirurgie in Bogenhausen, Wolf Heitland, dann doch nicht machen. Nicht die Presse sei schuld an der fatalen Außenwirkung, widersprach er Rodzynek, sondern die Klinik selbst mit ihrem mangelhaften Krisenmanagement.

Immerhin sei nun endlich einer der "Geburtsfehler" des Krankenhauskonzerns, das Fehlen ärztlichen Sachverstands in der ehemaligen Geschäftsführung, in die Öffentlichkeit und damit in die Diskussion geraten. "Unter unserem früheren ärztlichen Direktor wäre das Ganze nicht passiert", betonte Heitland. Prinzipielle Zustimmung kam vom Orthopädie-Kollegen Ludwig Seebauer. Und auch Reinhard Ruppert, der Chirurgie-Chefarzt in Neuperlach, befand: "Der Fisch stinkt vom Kopf her."

Eine für die Patienten unangenehme Wahrheit lautet freilich auch: Ein keimfreies Krankenhaus ohne Infektionsrisiko könne es nicht geben, sagte Heitland. Bedeutendste Risikofaktoren seien aber nicht etwa die Operationsbestecke, sondern vielmehr die Patienten selbst. "Die Keime kommen von draußen", zeigt sich auch der neue Klinik-Geschäftsführer Dieter Daub, ein Arzt, überzeugt.

Dass das verunreinigte Operationsbesteck tatsächlich zum Einsatz kam, halten die Ärzte unisono für ausgeschlossen. "Bisher ist kein einziger Fall bekannt geworden, dass ein Patient zu Schaden kam", beteuerte Heitland. Schließlich würden die Siebe mit Besteck vor jeder Operation von einer eigens dafür qualifizierten OP-Schwester überprüft. Gibt es Beanstandungen, stehe Ersatzbesteck in ausreichender Zahl zur Verfügung.

Und: Mag es auch Anhaftungen an den Gerätschaften geben, steril sei das Besteck nach der Behandlung in der Reinigungsanlage auf jeden Fall. Insofern spricht auch Ruppert eher von einem Logistik- als von einem Hygieneproblem - aus dieser Aussage leitete Kliniksprecher Rodzynek schließlich seine Kritik über mangelnde Differenzierung in den Medien ab. Allerdings war auch in den offiziellen Verlautbarungen der Stadt stets von Hygienemängeln die Rede gewesen.

Am heutigen Mittwoch erwartet das Klinikum Bogenhausen die Hygieneexperten des Gesundheitsamts zur Endkontrolle der Sterilgutaufbereitung, die von Experten in den vergangenen Wochen wieder auf Vordermann gebracht worden war. Die Anlage soll, die Zustimmung der Behörde vorausgesetzt, anschließend wieder in Betrieb gehen.

Zunächst soll allerdings nur das Klinikum Bogenhausen beliefert werden - mit Bestecken der sogenannten Kategorien A und B. Die für Spezialinstrumente gedachte Kategorie C wie auch der gesamte Bestand des Klinikums Neuperlach müssen wohl noch für mehrere Monate in anderen Krankenhäusern sterilisiert werden.

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: