Autogramm-Sammler Wolfgang Maier:"Ich krieg' sie alle"

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Über 50.000 Autogramme, 430 Alben: Der Münchner Wolfgang Maier sammelt seit 40 Jahren Fotos mit Unterschriften von Prominenten. Er kennt so einige Tricks, um bei den Stars nicht abzublitzen.

Florian Fuchs

Doris Dörrie ist hier. Ein Kameramann hat es Wolfgang Maier gesteckt, am Eingang vor der Kunsthalle. Den Kameramann hat Maier zufällig getroffen, er kennt ihn noch von dem Dreh für "Die Grönlandflieger" von 1987. Sein Gesicht hat er nicht vergessen, überhaupt vergisst Wolfgang Maier nur selten ein Gesicht und erst recht übersieht er niemanden, den er schon einmal getroffen hat. Sonst würde er das alles auch gar nicht schaffen, mit dem Autogramme sammeln.

Sogar ein Buch mit seinen Autogrammen gibt es schon: Wolfgang Maier in seinem Wohnzimmer, inmitten seiner Sammleralben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Er würde sich das ja nie verzeihen, wenn er auf der Straße spazieren ginge, und, sagen wir, Thomas Gottschalk nicht erkennen würde. In den ist er vergangene Woche gerannt, in der Münchner Innenstadt, einfach so. Jetzt hat er ein Foto, eine Unterschrift, und wieder eine Seite vollgeklebt in seinen Sammelalben.

Aber jetzt Doris Dörrie. Also rein in die Kunsthalle, die Rolltreppe rauf, das Café gescannt. Wolfgang Maier, schwarze Hose, weißes Hemd, roter Pollunder, ist da sehr genau und sehr professionell, er sammelt schon seit 40 Jahren. Er verlangsamt seinen Schritt, "immer piano", sagt er. Grundregel Nummer eins: Wer eilt, der verpasst die Prominenten. Aber die Regisseurin sitzt nicht im Café, die Hälfte der roten Stühle im ersten Stock sind leer. Die Leute kommen heute nicht, um Kaffee zu trinken. Die Leute kommen, um eine Ausstellung über Realismus zu sehen.

Auch Dörrie muss drinnen sein, in den Räumen hinter dem Café, deswegen ist die Jagd nach dem Autogramm hier auch schon wieder zu Ende. Für Maier ist das eine Frage des Stils. Er will Prominente nicht belästigen. Das ist Grundregel Nummer zwei: immer höflich bleiben. "Dann halt das nächste Mal", sagt er. Nach einem Foto und einer Unterschrift fragt er nur, wenn der Star gerade nicht beschäftigt ist.

Und auch Dörrie wird irgendwann einmal nicht beschäftigt sein, wenn Maier in der Nähe ist. Der Münchner ist da zuversichtlich. "Ich krieg' sie alle", sagt er. Es klingt wie eine Drohung, aber es gibt inzwischen einige, die sind eher beleidigt, dass Maier sie noch nicht erwischt hat. Mehr als 50.000 Autogramme hat der 58-Jährige gesammelt. In seinem Wohnzimmer, in seinem Flur, in seiner ganzen Wohnung am Stadtrand in Fürstenried stehen die Schränke voll mit 430 Alben. Maier ist deshalb selbst schon eine kleine Berühmtheit. Es gibt einen 18-minütigen Dokumentarfilm über ihn. Und 2007 organisierte das Münchner Filmmuseum eine Ausstellung mit seinen besten Autogrammen von Schauspielern, Politikern, Musikern und Sportlern.

Die Vernissage war ein großer Tag für Maier, plötzlich sollte er selbst auf Fotos unterschreiben. Jetzt hat er eigene Autogrammkarten. Dem gelernten KFZ-Mechaniker hat das Spaß gemacht und irgendwie steht ihm die Rolle des Stars auch ganz gut, er sieht eigentlich selbst aus wie einer. Heute sind die Haare zwar grau geworden und die Falten um den Mund tiefer, aber auf seinen alten Fotos mit den berühmten Prominenten, da sieht er toll aus mit seinem dunklen Haar, seinem schmal geschnittenen Gesicht und den grün-braunen Augen.

Seine Art passt allerdings nicht so recht in die Glitzerwelt. Er ist eher der bodenständige Typ aus der Vorstadt, immer korrekt. Deshalb würde er es sich auch nie erlauben, Elmar Wepper, mit dem er sich gut versteht, einen Kollegen zu heißen. Obwohl ihm das niemand übel nehmen dürfte. Denn Maier sammelt nicht nur Unterschriften. Er steht auch selbst ständig vor der Kamera.

"Aber ich bin kein Schauspieler, dafür habe ich keine Ausbildung. Ich bin Film- und Fernsehdarsteller", darauf besteht Maier. Komparse also, andere würden sagen Statist, aber das findet der 58-Jährige schon wieder abwertend. Auf jeden Fall ist es sein Hauptberuf. Er läuft durchs Bild, er spielt den Postler, er mimt den Polizisten. Und deshalb ist er immer dort, wo die Prominenten sind. Das hat ihm die Sache mit den Autogrammen stets erleichtert, wenigstens, wenn es um Schauspieler geht.

Dabei ist er nur zufällig zum Film gekommen: Nach einem schweren Autounfall ließ er sich als KFZ-Mechaniker umschulen für einen Bürojob. Aber dann, genau an dem Tag, als er in der Stadt zum Spaß bei einem Filmdreh zuschaute, fiel ein Komparse aus. Maier ist eingesprungen und dabei geblieben. Inzwischen hat er in mehr als 1000 Kino- und Fernsehfilmen mitgespielt.

Und die Unterschriften der Prominenten? Auch das war nicht sein Einfall. Als ein Kollege bei einem Dreh mit Erik Ode seine Fotokamera holte, brachte er Maier auf die Idee. Das war es dann, sein erstes Autogramm: von Schauspieler Erik Ode.

Inzwischen hat er andere Kaliber: internationale Stars wie Gerard Depardieu, Dustin Hoffmann und Arnold Schwarzenegger. Aber vor allem nationale Promis: alle Spieler des FC Bayern München der vergangenen 35 Jahre, viele Politiker, auch Musiker. Und natürlich Schauspieler.

Autogramm-Sammler Wolfgang Maier
:"Ich krieg' sie alle"

Er hat Fotos und Unterschriften von Arnold Schwarzenegger, Bud Spencer und vielen anderen Stars - Wolfgang Maier sammelt seit 40 Jahren Autogramme. In Bildern.

Florian Fuchs

Klaus Kinski zum Beispiel, den betrachtet er als seinen größten Fang. Der war ja nicht nur spezialisiert darauf, psychopathische Charaktere zu spielen, der benahm sich auch im wirklichen Leben gerne mal daneben. "'Ein Autogramm von dem?', haben die Kollegen gesagt. "Nie im Leben, gestern hat er einem seinen Schuh hinterher geschmissen', haben sie mich gewarnt", erzählt Maier. Aber er ist trotzdem auf dem Gelände der Bavaria Filmstudios hingegangen zu Kinski, höflich wie immer: "Grüß Gott, ich bin der Herr Maier, haben Sie einen Moment Zeit?" Der Schauspieler hatte einen Moment, und jetzt gibt es dieses Foto, da lehnt Kinski an Maiers Schulter, eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger, und schaut mit seinen blauen Augen in den Horizont. Maier schaut direkt in die Kamera, er ist auch da stets korrekt.

"In Buchhaltung hatte ich immer eine Eins", sagt er. Es gibt ein kleines Spiel, das treibt er mit vielen Besuchern. Maier steht im Flur seiner Wohnung und sagt: "Drei Namen und ich such' die Autogramme in weniger als drei Minuten raus." Also gut, denkt man sich, Pumuckl, Gustl Bayrhammer, das ist nicht ganz so einfach. Es dauert keine zwanzig Sekunden, Maier taucht kurz in die unterste Lade seines dunklen Holzschranks, und er hält ein Album mit grünem Ledereinband in der Hand. Er hat die Autogramme chronologisch geordnet, er weiß von jedem Prominenten, in welchem Jahr er ihn getroffen hat.

Deshalb kommt es für ihn auch nicht in Frage, Autogramme zu kaufen oder per Post anzufragen. In Maiers Sammlung gelangt nur, wen er persönlich abgepasst hat, in München. "Hier kommen sie ja sowieso alle mal her. Ich muss eine Geschichte zu dem Autogramm parat haben, sonst interessiert mich das nicht", sagt Maier.

Er will ein Foto, eine Unterschrift, und dann daneben das Datum ins Album schreiben und vielleicht noch Zeitungsartikel aus der Zeit über die Promis. Das mit dem Foto aber ist gar nicht so einfach: Maier benutzt heute noch eine Kamera aus den achtziger Jahren. Minolta Hi-Matic AF. "Früher habe ich die Fotos gemacht, dann entwickelt, und dann gewartet, bis ich den Prominenten noch einmal getroffen habe", sagt Maier. Dann erst kam die Unterschrift auf das Foto. Heute macht er es anders. Er hat immer weiße Zettel dabei. Darauf kommt die Unterschrift, die er dann im Album sauber neben das Foto klebt.

Erst einmal ist etwas schief gegangen, Harald Schmidt war da, Wolfgang Maier hatte keinen Film mehr. So etwas passiert ihm kein zweites Mal, heute hat er immer zwei Ersatzfilme dabei, egal, wo er hingeht. Die Kamera schleppt er sowieso immer mit sich herum.

"Wenn sich jeder so Autogramme besorgen würde wie der Herr Maier, dann hätten wir ein Zeitproblem", sagt Michael Schwarz, der den Dokumentarfilm "Der König der Statisten" über den 58-Jährigen gedreht hat, "aber es ist halt liebenswürdig." Das findet auch Günter Clemens. Den Schauspieler aus "Derrick" und "Verbotene Liebe" trifft Maier in einem Café, kurz nachdem er Regisseurin Dörrie verpasst hat. Ein Foto, Kamera wieder aufziehen, sie surrt leise, Clemens schaut ein wenig verdutzt, dass es so etwas noch gibt. Dann noch eines im Hochformat, falls das erste nichts geworden ist. Clemens lächelt, er macht gerne mit. Maier freut sich. "Es ist schon eine Sucht", sagt er, "aber ich bin noch lange nicht satt."

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