Landgericht München:Versicherung lässt Patientin bespitzeln

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Nach einem Ärztefehler ist eine Münchnerin zu 80 Prozent schwerbehindert. Ihre Versicherung engagierte einen Detektiv, um die Frau als Simultantin zu überführen. Der Schnüffler stellte sich allerdings ziemlich blöd an - und beschattete die falsche Person.

Ekkehard Müller-Jentsch

Einer oberflächlichen Diagnose folgte die unnütze Operation - schnell verdientes Geld für einen Münchner Chirurgen. Doch als sein Pfusch schlimme Folgen für die Patientin nach sich zog und es zum Gerichtsprozess kam, setzte die Haftpflichtversicherung des Doktors noch eins oben drauf: Sie hetzte der mittlerweile schwerbehinderten Frau Detektive hinter her.

Nach einem Ärztefehler ist eine Münchnerin zu 80 Prozent schwerbehindert. Ihre Versicherung engagierte einen Detektiv, um die Frau als Simultantin zu überführen. (Foto: dpa)

Die Schnüffler sollten sie als Simulantin überführen. Dabei stellten sich die Privatermittler allerdings ziemlich blöde an: Sie observierten versehentlich die Hausmeisterin - und die war natürlich quicklebendig und gut zu Fuß. Die Peinlichkeit flog auf, die Versicherung ging daraufhin auf Tauchstation. Erst jetzt zeichnet sich eine Lösung ab.

Im Herbst 1999 war die Münchnerin wegen Schmerzen an der linken Hüfte zu dem Chirurgen gegangen. Der Doktor diagnostizierte rasch eine Coxarthrose und machte seiner Patientin klar, dass sie ein künstliches Gelenk benötige. Eine gewagte Behauptung, wie sich später herausstellte, tatsächlich hatte wohl ein Leistenbruch die Hüftschmerzen verursacht.

Zu allem Unglück lockerte sich schon bald die Prothese, es musste mehrmals nachoperiert und das Kunstgelenk schließlich ersetzt werden. In der Folge erlitt die Frau schwere Nervenschädigungen: Sie kann sich seither nur mit Gehilfen und Beinschienen unter großen Schmerzen bewegen, ist amtlich anerkannt zu 80 Prozent schwerbehindert.

Die Frau klagte gegen den Facharzt. Als ihm das Landgericht bescheinigte, dass die Hüft-OP eine "zumindest grenzwertige Indikation" gewesen sei, versuchte die Haftpflichtversicherung des Chirurgen die Notbremse zu ziehen. Viele Wochen lang ließ sie die Frau detektivisch beschatten. Die Ermittler berichteten hinterher, dass die "Zielperson" sich "völlig normal bewegen konnte": Sie trage nur kurze Hosen und Röcken, so dass zu sehen sei, dass auch keine Beinschienen getragen werden. Dem Gericht legte der Anwalt des beklagten Arztes später diese Fotos vor. Rechtsanwältin Katharina Waibl: "Obwohl sie von erstaunlich schlechter Qualität waren, glaubte die Gegenseite meine Mandantin darauf ,zu 70 Prozent' identifizieren zu können."

Da jedoch war die angebliche "Zielperson" immer wieder beim Rauchen zu sehen war, konnte rasch deren wahre Identität enthüllt werden: "Es war immer nur die Hausmeisterin der Wohnanlage."

In 25 Jahren als Spezialistin für Arzthaftungsrecht habe sie noch nie erlebt oder davon gehört, dass eine Versicherung auf diese Weise gegen eine klagende Patienten vorgegangen ist", sagte Waibl zur SZ.

Das Landgericht MünchenI erließen zunächst nur ein Teilurteil, in dem der Arzt grundsätzlich zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet wurde - wie viel er zahlen soll, ließ das Gericht damals noch offen. Nachdem mittlerweile der Bundesgerichtshof diese Entscheidung bestätigt hat, machte Anwältin Waibl jetzt der Versicherung eine konkrete Rechnung über mehr als 700.000 Euro auf. Davon stehen allerdings auch der AOK und der Rentenversicherung, die sich der Klage angeschlossen haben, ein beachtlicher Anteil zu.

Erst jetzt rührte sich die Versicherung wieder: Sie überwies pauschal 150.000 Euro und will - vom Gericht eindringlich dazu ermahnt - über den weiteren Betrag einen Vergleich aushandeln. Scheitert das, wird im Juni ein Urteil verkündet.

© SZ vom 26.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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