Kriegsverbrecherprozess:Der falsche Kamerad hört mit

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"Mein Kompaniechef": Die Ermittler haben Telefongespräche des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Josef S. überwacht - und daraus wichtige Erkenntnisse gewonnen.

A. Krug

Der wegen Kriegsverbrechen in Italien angeklagte Josef S., 90, aus Ottobrunn hat vor Prozessbeginn Kontakt zu alten Gebirgsjäger-Kameraden aufgenommen und sich mit ihnen - im Beisein eines Anwaltes - auch getroffen. Dies wurde am siebten Verhandlungstag am Montag im Schwurgericht bekannt.

Josef S. vor Gericht (Foto: Foto: Haas)

Die Ermittler hatten mit richterlicher Genehmigung zeitweise das Telefon des Angeklagten abgehört. Dies erbrachte zwar keine konkreten Beweise. Doch die auffallenden Erinnerungslücken mancher Zeugen legen den Verdacht nahe, dass sich die alten Herren über ihr Aussageverhalten abgesprochen haben.

Die angebliche Amnesie mancher Zeugen war schon während der bisherigen Prozesstage bei den Richtern auf Skepsis gestoßen. Am Montag sagte nun erneut ein ehemaliger Kamerad des Angeklagten aus. Georg H., 83, war damals Gefreiter in der Kompanie von Josef S., dem 14-facher Mord an Zivilisten zur Last gelegt wird.

Der Zeuge wich Nachfragen der Richter immer wieder aus: "Das ist doch schon sechs Jahrzehnte her, woher soll ich das noch wissen", rief er mehrmals aus. An den Tag einer leichten Armverwundung konnte sich der Zeuge indes präzise erinnern. "Das war am 24. Juni 1944", sagte er. In einer früheren Vernehmung hatte er davon nichts berichtet, sondern nur allgemein von "Anfang 1944" gesprochen.

Das Datum ist von Bedeutung, da das Massaker an den Zivilisten am 27. Juni stattfand. An diesem Tag will der Zeuge aufgrund seiner Verletzung nur als "Sicherungsposten" eingesetzt worden sein. Von der Sprengung des Hauses mit den gefangenen Italienern will er "nichts mitbekommen" haben. Erst auf Nachfragen der Richter räumte er dann ein, einen "Knall" gehört zu haben. Vom "Hörensagen" wisse er auch, dass es sich um einen "Racheakt" gehandelt habe, nachdem Partisanen zwei Kameraden seiner Einheit erschossen hätten.

"Ich weiß vom Hören, dass die Männer in eine Hütte getrieben wurden und die dann gesprengt wurde", gab Georg H. zu. Wer den Befehl dazu gab, wisse er aber nicht. "Es war Krieg, wir waren auf dem Rückzug. Da ging es drunter und drüber. Ich will mich an die Situation nicht mehr erinnern", rief er erregt. "Ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe in meinen Alter".

Auch die umgebrachten italienischen Zivilisten hätten gerne ein ruhiges Leben gehabt, konterte Richter Manfred Götzl. "Den Krieg hab' nicht ich angezettelt, sondern die Politik", gab der Zeuge zurück.

Auf Nachfragen räumte Georg H. schließlich auch ein, mit dem Angeklagten im Jahr 2006 telefoniert und sich mit ihm in einer Gastwirtschaft in Rohrdorf (Landkreis Rosenheim) getroffen zu haben. Mit dabei war Gerhard Klamert, der ehemalige Anwalt von Josef S. "Den hat interessiert, was wir erlebt haben", sagte der Zeuge. Aber Absprachen oder dergleichen habe es nicht gegeben. "Wir haben uns ja gar nicht vorstellen können, dass das Kriegsproblem so aufgeputscht wird." Mit "Kriegsproblem" meint Georg H. das Massaker an den Zivilisten.

Der Angeklagte Josef S. hatte im Jahr 2006 mit einigen alten Kameraden telefoniert. Einer redete ihn sogleich als "mein Kompaniechef" an. "Das brauchst heute nicht mehr sagen", wies ihn Josef S. am Telefon zurecht. Einige Passagen der Abhörprotokolle lassen vermuten, dass er von seinem Anwalt auf ein mögliches Abhören aufmerksam gemacht worden war. Offen bleibt, warum die Ermittler (damals war noch die Staatsanwaltschaft Dortmund zuständig) nicht auch in der Gaststätte in Rohrdorf mithörten. Möglicherweise entging ihnen das Treffen, weil Josef S. zur definitiven Verabredung ein anderes Telefon benutzte. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

© SZ vom 14.10.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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