Kriegsverbrecher-Prozess:"Es war ein Racheakt"

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Der erste Zeitzeuge belastet den wegen Mordes an 14 Zivilisten angeklagten Josef S. Die Verteidigungsstrategie gerät dadurch ins Wanken.

Alexander Krug

Im Prozess um die Ermordung von 14 Zivilisten in Italien im Juni 1944 ist am Mittwoch der erste Zeitzeuge aufgetreten. Johann F., 83, war damals Gefreiter in der Kompanie des wegen 14-fachen Mordes angeklagten Befehlshabers Josef S., 90.

Von der Vergangenheit eingeholt: Der Angeklagte Josef S. im Schwurgericht. (Foto: Foto: ddp)

Dessen Verteidigungsstrategie gerät nach der Aussage des Zeugen massiv ins Wanken. Bisher hat Josef S. nicht nur bestritten, je in dem Ort Falzano di Cortona gewesen zu sein. Er leugnet auch jegliche "Kenntnis" von dem Massaker. Der Zeuge bestätigte indes, dass die Einheit nach einer Partisanenattacke einen Vergeltungsschlag ausführte. An Details wollte oder konnte sich der Rentner allerdings nicht erinnern.

Johann F. war nach eigener Darstellung 1942 eingezogen worden und diente als Gefreiter im 3. Zug der vom Angeklagten geführten 1. Kompanie des Gebirgs-Pionier-Bataillon 818. Seinen Chef will Johann F. indes "nur selten" gesehen haben, da die Truppe weit auseinandergezogen gewesen sei.

Der Zeuge konnte sich genau an den Partisanenüberfall vom 26. Juni 1944 erinnern, bei dem zwei Kameraden seines Zuges "hinterrücks" erschossen worden seien. Danach habe es einen Befehl gegeben, die Gegend zu "durchkämmen" und "alle Männer" festzunehmen.

Johann F.'s Gruppe machte zwei Gefangene, einen jungen Burschen ließ der damals 19-jährige Gefreite aus eigenem Entschluss wieder laufen. "Das war schon ein Risiko. Aber ich hab' mich geärgert, dass man die Kleinen fängt und die Großen laufen lässt."

Nach der Schilderung dieser Aktion verließen den Zeugen jedoch die Erinnerungen. "Von da an weiß ich nichts mehr", rief er und schlug zur Bekräftigung auf den Tisch.

Das Gericht glaubte ihm nicht. "Das ist nicht nachvollziehbar. Sie wissen doch sonst noch gut Bescheid", hielt ihm Richter Manfred Götzl vor. Doch Johann F. blieb dabei. Er habe erst "zwei bis drei Tage" später von Kameraden erfahren, dass mehrere Gefangene in ein Haus gesperrt und dieses in die Luft gesprengt worden sei. Er sei aber nicht dabei gewesen.

Auf Nachfrage bestätigte er, dass nach dem Partisanenüberfall die Stimmung in der Einheit "sehr aufgebracht" gewesen sei. Bei einer früheren Vernehmung hatte er sich noch deutlicher ausgedrückt: "Am nächsten Tag folgte der Racheakt."

Als ihm dieser Satz vorgehalten wurde, wand sich der Zeuge: "Ach, das ist doch nur ein Wort." Wenig später rief er erregt, was er denn hätte machen sollen: "Hätte ich vielleicht den Befehl verweigern sollen, dann wäre ich mindestens in einem Strafbataillon gelandet."

Den Richtern gelang es nicht, ihm verständlich zu machen, dass es hier nicht um seine wie auch immer geartete Schuld gehe, sondern um die des Angeklagten als möglichen Befehlsgeber. Doch dazu schwieg Johann F.

Er bestätigte aber, sich mit dem Angeklagten vor dem Prozess in einer Gaststätte getroffen zu haben. Angeblich wurde dabei "nicht über diese Angelegenheit" gesprochen. Johann F. wird noch einmal als Zeuge kommen müssen. Am Donnerstag werden weitere Kompanieangehörige als Zeugen erwartet.

© SZ vom 02.10.2008/lado - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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