Kommentar:Woodstock ohne Schalensitze

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Die Stadtverwaltung will neu regeln, wo in München Open-Air-Konzerte stattfinden können. Dabei wäre ein bisschen mehr Mut und Lockerheit schon angebracht

Von Franz Kotteder

Woodstock ist kein Stadtteil von München, und wäre es einer, dann wäre es sicher nicht weltberühmt geworden. Das legendäre Rockfestival, die Blaupause für alle Open-Air-Konzerte seither, war nämlich aus Sicht der Münchner Ordnungsbehörden die reine Katastrophe. Auf den Zufahrtsstraßen Staus ohne Ende! Und dann Abertausend Menschen auf einer Wiese! Ohne Schalensitze! Unvorstellbar!

Liest man das Papier aus dem Referat für Arbeit und Wirtschaft zum Thema Open-Air-Flächen, das am Dienstag im zuständigen Stadtratsausschuss behandelt werden soll, dann kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Dort wird lang und breit ausgeführt, warum das Kreisverwaltungsreferat mit manchen bisherigen Veranstaltungsorten Probleme hat. So gab es zum Beispiel im Riemer Reitstadion schon mal lange Staus auf den Straßen nach Konzertende. Und die Galopprennbahn sei ebenfalls nicht so gut geeignet, "da sie mit Sitzbänken und nicht mit Schalensitzen ausgestattet ist". Das sind natürlich Hindernisse, die man einem Rockfan kaum zumuten möchte. Zugegeben: Darüber lässt sich leicht lästern. Wenn man aber sieht, was am vergangenen Wochenende bei "Rock am Ring" in der Eifel abgelaufen ist, dann hat man doch ein bisschen mehr Verständnis für die Behörden. Auch muss man sagen, dass sich die Münchner Stadtverwaltung durchaus Mühe gibt, den Veranstaltern ein bisschen entgegenzukommen. Deshalb sollen das Reitstadion und die Galopprennbahn ja durchaus reaktiviert werden als Konzertorte, und für andere Flächen wie den Königs- oder den Odeonsplatz wird es in Kürze ein neues Konzept geben. Vom Grundsatz her sollen Open-Air-Konzerte künftig also eher gefördert als behindert werden. Das ist schon mal erfreulich. Trotzdem möchte man der Stadtverwaltung raten, sich in dieser Frage mal ein bisschen locker zu machen. Warum es zum Beispiel auf jenem Gelände der Messe, das für die alle drei Jahre stattfindende Bauma vorgesehen ist, im jeweiligen Bauma-Jahr gar keine Konzerte geben soll, ist nicht nachzuvollziehen. Und bei allem Verständnis für Anwohnerbeschwerden: dass deswegen pro Veranstaltungsort maximal zwei bis drei Konzerte jährlich erlaubt sind, ist für eine Millionenstadt ein bisschen viel an Ruhebedürfnis.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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