Kommentar:Weiter als die Politik

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München hat längst gelernt, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender als normale Teile der Stadtgesellschaft zu betrachten. Andere werden nachziehen müssen

Von Martin Mühlfenzl

Das Sub - das Schwule Kommunikations- und Kulturzentrum München - war einmal ein Rückzugsort für die Schwulen, Lesben und Transsexuellen der Stadt. Hier waren sie unter sich, konnten und durften sein, was sie sind, teilten auch oft das gemeinsame Leid, nicht so zu sein wie die anderen. Die "Normalen". Die Heteros. Das ist schon längst nicht mehr so. Heute ist das Sub ein offener Ort, zugänglich für Alt und Jung, Schwul und Hetero, Einheimisch und Fremd. Und als solcher ist es auch Abbild einer Gesellschaft, die - insbesondere in den Großstädten - weiter ist als die Politik.

München hat längst gelernt, die Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender als ganz normale und sogar bereichernde Teile ihrer Stadtgesellschaft zu akzeptieren. Wenn sich in der Kaufingerstraße zwei Männer küssen und Frauen Arm in Arm im Englischen Garten flanieren, bricht hier niemand mehr in Hysterie aus. Heteros feiern mit Schwulen auf den weithin bekannten, schwulen Sinners-Partys, und beim CSD liegen sich ohnehin alle bis hin zu Oberbürgermeister Dieter Reiter in den Armen. Und doch hat dieses sehr einvernehmliche, harmonische Miteinander weiterhin Bruchstellen. Denn so sehr die Lesben und Schwulen als ganz normale Bürger dieser Stadt betrachtet werden, bleiben ihnen noch immer zentrale Punkte bei der Gleichberechtigung verwehrt: Sie dürfen nach wie vor keine Kinder adoptieren - und statt einer Ehe führen sie eine sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaft. Bisher bleibt da der Staat - respektive die Union - hart und unerbittlich.

Die Menschen, die das Sub in München besuchen, tragen und am Leben erhalten, werden auch hart bleiben. Sie werden weiter für ihre Rechte einstehen und mit lauter Stimme ihren gleichgestellten Platz in der Gesellschaft einfordern - so, wie sie es seit 30 Jahren tun. Die meisten Menschen in München hören sie gut. Und irgendwann werden sie auch in der CDU und der CSU nicht mehr umhin kommen, ihnen Gehör zu schenken.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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