Kommentar:Unter Kontrolle

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Kiffer-Clubs in München zuzulassen, wäre eine Chance für die Stadt München - und ein Zeichen ihrer Liberalität

Von Andreas Glas

Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund. Wer Kiffer kennt, wer selbst einer war oder ist, der weiß, dass dieser Spruch nur die halbe Wahrheit ist. Kiffen kann zwar glücklich machen, aber auch sehr träge, sehr traurig und sehr einsam. Und wer es damit übertreibt, den macht das Kiffen sogar blöd, das sagen jedenfalls viele Studien. All das sollte man nicht kleinreden, all das taugt aber nicht als Argument gegen den Vorschlag, in München einen Club zu genehmigen, in dem Kiffer für ihren Eigenbedarf Cannabis züchten und rauchen dürfen. Der Vorschlag ist für die Stadt eine Chance. Sie kann zeigen, dass sie ihre Bürger ernst nimmt - und dass sie ihnen zutraut, selbst darüber zu entscheiden, was gut oder schlecht für sie ist.

Sollte die Stadt einen Cannabis-Club genehmigen, wäre das nicht nur ein Zeichen demokratischer Reife, es wäre auch ein Hilfsangebot für die wenigen Kiffer, die so exzessiv konsumieren, dass sie ihr Leben nicht mehr auf die Reihe kriegen. Wer ein echtes Drogenproblem hat, dem könnten Sozialarbeiter, die im Kiffer-Club arbeiten, eine professionelle Suchthilfe vermitteln. Diese Suchtberatung könnte man wiederum über die Steuereinnahmen finanzieren, die durch den staatlich kontrollierten Verkauf in den Kiffer-Clubs erwirtschaftet werden. Oder der Staat nutzt das Geld für andere, wichtigere Dinge. So oder so: Über Kiffer-Clubs könnte der Staat am Cannabishandel verdienen, statt weiterhin zu ermöglichen, dass die Großdealer das Geld auf dem Schwarzmarkt abgreifen. Und auch die Polizei könnte sich um wichtigere Dinge kümmern, statt Kiffer zu filzen. Die unterscheiden sich von der Mehrheit der Gesellschaft vor allem dadurch, dass sie ihr Recht auf Rausch über einen Joint in Anspruch nehmen. Andere trinken stattdessen ein paar Halbe Bier.

Man kann es leugnen, aber nicht ändern: Cannabis ist längst zu einer Alltagsdroge geworden, die obendrein weniger gefährlich ist als die Alltagsdroge Alkohol. Vor dieser Wirklichkeit sollte sich die Stadt München nicht verschließen - und ernsthaft über die Kiffer-Club-Idee und die Konsequenzen nachdenken. Damit würde die Stadt auch beweisen, was sie gern über sich behauptet: offen zu sein, liberal und aufgeklärt. Also, trau dich, München!

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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