Kommentar:Schlechter Stil

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Bei der Debatte um den Ausbau der Fußgängerzone in der Sendlinger Straße haben Münchens Politiker kein gutes Bild abgegeben

Von Alfred Dürr

Spätestens seit den ersten Aufsehen erregenden Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat bei Planern in München ein Umdenken eingesetzt. Bei umstrittenen Projekten sollen die Bürger mit Workshops und Info-Veranstaltungen stärker einbezogen werden, als das die Gesetze für Planungsverfahren vorschreiben. Damit die Bürger nicht in Wut geraten über "die da oben ".

Ein begrüßenswerter Ansatz. Aber bei der Debatte um den Ausbau der Fußgängerzone in der Sendlinger Straße hat sich der Stadtrat das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Die Verwaltung erarbeitete eine Vorlage, in der sie auf die Sorgen der Anwohner einging. In der Bürgerversammlung wenige Tage vor dem geplanten Stadtratsbeschluss kochte das Thema wieder hoch. Altbekannte Kritikpunkte wurden angeführt - neue waren nicht dabei. Der Versammlungsleiter, SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, schwieg. Wenige Tage später teilte die Fraktion mit, der Beschluss werde verschoben. Gleichzeitig bekräftigte die SPD, dass man die Autos von der Straße verbannen wolle - eben nur etwas später. Die anderen Fraktionen schlossen sich dem Vertagungsantrag kommentarlos an.

Das hat nichts mit einem guten politischen Stil zu tun, der Sorgen und Anregungen aufnimmt. Ein solches Verständnis von Beteiligung richtet Schaden an. Denn die Anwohner müssen sich getäuscht vorkommen, weil nach einer gewissen Beruhigungsfrist über Weihnachten aller Voraussicht nach ohnehin so entschieden wird, wie das die Politik ursprünglich vorhatte. Auf die Verwaltung fällt kein gutes Licht, weil manche ihr unterstellen, sie setze sich leichtfertig über Kritik hinweg. Wenn die Stadträte so schnell einknicken und nicht offensiv für ein Projekt argumentieren, das sie für gut erachten, nimmt sie keiner mehr ernst. Es gibt gute Gründe für eine Fußgängerzone in der Sendlinger Straße. Es wäre sinnvoll, über sie zu reden - statt sich wegzuducken.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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