Kommentar:Kommerz schlägt Kultur

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Erst der Alte Hof, nun die Alte Akademie: Bei geschichtsträchtigen Immobilien in der Innenstadt achten Stadt und Freistaat zu wenig darauf, was aus den Bauten wird. Das ist ein großer Fehler

Von Alfred Dürr

München leuchtet nicht nur, München glitzert. Ehemalige Firmengelände in der Altstadt wandeln sich zu edlen Shopping-Meilen mit Büros in bester Innenstadtlage. Auch vor geschichtsträchtigen staatlichen Bauten macht der Trend zu gehobenen Läden, vornehmen Kanzleien und Arztpraxen sowie teuren Wohnungen nicht Halt. Der in der Nähe des Rathauses gelegene Alte Hof, die frühe kaiserliche Residenz, erlebte einen solchen Wandel. Die Institute der Alten Chemie an der Karlstraße verschwanden; hier entstand eine luxuriöse Wohnanlage mit Büros und Hotel.

Jetzt werden die Umbaupläne für die Alte Akademie konkret. Ein Ort, der über Jahrhunderte ein Zentrum des Geistes und der Bildung darstellte und zuletzt die Büros des Landesamts für Statistik beherbergte, wird modernisiert. Dem Investor, der sich für mehrere hundert Millionen Euro eingekauft hat und mit Gewinn wirtschaften will, kann man keinen Vorwurf machen. Er akzeptiert einen Architektenentwurf, der verspricht, mit Sorgfalt im Detail umzubauen. Es entstehen zum Beispiel zusätzliche Wohnungen in der Altstadt, auch wenn sie teuer sein werden. Der Innenhof wird allen Passanten zugänglich gemacht; auch das ist ein Vorteil.

Die SPD im Stadtrat hat früher schon den Freistaat kritisiert. Dieser veräußere seine wertvollen historischen Bauten, um möglichst viel Gewinn zu erzielen. Ansonsten kümmere er sich wenig darum, was aus den bedeutsamen Immobilien werde. Bei der Alten Akademie stimmt diese Kritik. Während sich der frühere Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) vehement, aber leider auch erfolglos, für eine kulturelle Nutzung von Teilen der Gebäude einsetzte, mischte sich Nachfolger Markus Söder (CSU) erst gar nicht in die Debatte ein. Der Münchner Stadtrat ergriff bereits vor zehn Jahren die Initiative und legte Rahmenbedingungen vor, damit die größten Architektur- und Luxusexzesse bei der Alten Akademie verhindert werden können. Solche Vorstöße sind richtig - und doch gibt es keinen Grund für den Stadtrat, gegenüber dem Freistaat überheblich zu sein. Denn auch städtische Flächen werden vergoldet. Geplant ist, Parkhäuser in der Altstadt abzureißen, um Platz für neue Kommerzpracht zu machen.

Anstatt mit den Fingern aufeinander zu zeigen, müssen Staat und Stadt bei den Immobilien, auf die sie Einfluss nehmen können, endlich Zeichen setzen: Die Projekte sollten auch Raum für die Kultur bieten - und nicht ausschließlich für Läden und Wohnungen, die sich nur wenige leisten können.

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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