Kommentar:Jetzt tobt der Klassenkampf

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Einst standen sich die CSU und die Wiesnwirte eher nah. Nun streiten sie heftig wegen der geplanten Bierpreis-Bremse und Umsatzpacht. Und jeden Tag wird es schlimmer

Von Franz Kotteder

Mittlerweile wartet man fast auf den ersten Nazivergleich nach türkischem Muster: Seit Bürgermeister Josef Schmid seine Überlegungen zu einer Umsatzpacht für Wiesnwirte und einen "Bierpreisdeckel" öffentlich gemacht hat, wird der Umgangston täglich rauer. Der neue CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl übte sich am Montag in einem AZ-Interview in scharfer Attacke: Man lasse sich von den Wirten nicht erpressen, sagte er und raunte: "Es ist doch ein offenes Geheimnis, welche Summen in den Zelten verdient werden." Freilich nicht so offen, dass er tags darauf Zahlen nennen wollte.

Am Dienstag antworteten einige Wirte im Konkurrenzblatt tz und sahen die freie Marktwirtschaft bedroht. "Das ist ja wie in der DDR!", lautete die Schlagzeile. Nicht weiter verwunderlich, dass die Christlich Sozialistische Union mit Josef "Fidel" Schmid und Manuel "Che" Pretzl noch am selben Tag mit aller Kraft zurückkeilte, das werktätige Volk hinter sich wissend. Toni Roiderer, der Sprecher der Wirte, verwechsle eigene finanzielle Interessen mit dem Oktoberfest, sagte Schmid, "dieser Einverleibung der Wiesn trete ich entschieden entgegen". Freiheitskämpfer Schmid weiß, wo die Ausbeuter stehen, die "maßlos und auf Kosten des Volksfestcharakters" Geld verdienen wollten. Pretzl sekundierte, man dürfe nicht zulassen, "dass einige Wirte der Stadt München gegenüber wie die Barone dieses Fests auftreten".

Sappralot, da ist ja bereits der schönste Klassenkampf im Gange! Und das ausgerechnet zwischen zwei Gruppierungen, die sich seit Strauß' Zeiten doch eher nahe standen. Dem Tonfall nach steht man nun kurz davor, militärische Maßnahmen einzuleiten. An der rhetorischen Eskalation ist der CSU gelegen, das sichert ihr die Meinungsführerschaft: Wer träte schon für Wiesnwirte und höhere Bierpreise ein? Je heroischer die CSU gegen beide kämpft, desto besser für sie. Andererseits sollte sie es auch nicht übertreiben. Irgendwann merkt die Bürgerschaft, dass es in München noch ein paar wirkliche Probleme gibt, an die sich keiner hintraut. Nicht einmal die Volkshelden von der CSU.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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