Kommentar:Im Alltag untauglich

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Münchner Eltern haben sich bei der Wahl der weiterführenden Schule klar gegen den reinen Ganztag ausgesprochen. Das zeigt, dass man Schulpolitik nicht gegen den Willen von Familien durchsetzen kann

Von Melanie Staudinger

Die Eltern haben gewählt: Nach stressigen Grundschuljahren und häufig langer Suche haben fast 4800 Familien ihre Kinder für die fünften Klassen an Münchner Gymnasien angemeldet. Wenn Stadtschulrat Rainer Schweppe sich die Zahlen ansieht, dürfte ihm allerdings wenig gefallen, was er sieht. Denn die Eltern haben sich klar gegen die von ihm favorisierte reine Ganztagsschule ausgesprochen. Das zeigt das Beispiel des Elsa-Brändström-Gymnasiums. Es ist eines von zwei städtischen Gymnasien, das bewusst als Ganztagsschule konzipiert wurde. Eine Vorzeigeschule, die als Gegenmodell zu Einrichtungen des Freistaats galt, die manchmal nur eine kostenpflichtige Betreuung am Nachmittag anbieten. Aber das Angebot kam nicht an.

Das G 8, so hat Schweppe oft betont, sei nur im Ganztag zu entwickeln. Wenn sich Unterricht und Entspannung am Vormittag und am Nachmittag abwechseln, könnten auch Kinder aus sozial schwächeren Familien das Abitur leichter schaffen. Studien bestätigen den Münchner Stadtschulrat. An den Bedürfnissen vieler Eltern geht der gebundene Ganztag aber offenbar vorbei. Ja, sie beschweren sich über den zunehmenden Druck, den komprimierten Stoff. Aber sie klagen auch über die Freizeit, die ihre Kinder verlieren. Wer montags bis donnerstags erst um 16 Uhr aus hat, kommt nicht mehr viel zum Fußballspielen, Klettern oder Gitarrespielen.

Das Elsa-Brändström-Gymnasium hat auf die Wünsche der Eltern reagiert und ist von seinem starren Konzept abgewichen - auch um seine eigene Zukunft zu sichern. Revolutionär ist der Plan nicht. Ein Miteinander verschiedener Angebote gibt es an anderen Schulen auch. Der Fall zeigt aber, dass man eine Schulpolitik nicht gegen den Willen von Eltern durchsetzen kann, selbst wenn diese pädagogisch noch so sinnvoll ist. Familien gestalten Schule aktiv mit - das müssen die Verantwortlichen noch ernster nehmen als bisher.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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