Kommentar:Genug vertröstet

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Mit dem Bellevue di Monaco soll München einen Leuchtturm der Integration bekommen. Aber die Stadt - und auch Dieter Reiter - tun zu wenig dafür

Von Bernd Kastner

Es hat alles so gut angefangen. Aus der Initiative ist eine Bewegung geworden, eine für neue Münchner, für Flüchtlinge. Ein paar Eingesessene haben gegen den Abriss dreier Häuser an der Müllerstraße protestiert. Bald entstand daraus das Projekt "Bellevue di Monaco". Das Konzept eines Willkommenszentrums im Herzen der Stadt ist so überzeugend, dass sich - nach kurzer inhaltlicher Nachhilfe - zunächst Oberbürgermeister Dieter Reiter begeistern ließ und bald darauf der Stadtrat seinen Abrissbeschluss korrigierte. München soll einen Leuchtturm der Integration bekommen.

Und was ist seit diesen grundlegenden Entscheidungen zu Jahresbeginn geschehen? Viel bei den Initiatoren, die Hunderte Unterstützer gewonnen und mehr als eine Million Euro eingesammelt haben. Aber wenig, zu wenig bei der Stadt. Das Kommunalreferat hat es bis heute nicht geschafft, die Ausschreibung zu starten, immer wieder wurden die Initiatoren vertröstet. Aus April wurde Mai, aus Mai wurde Juni, aus Juni wurde Juli, und jetzt heißt es: 16. Juli. Gewiss, so eine europaweite Ausschreibung mag komplex sein. Aber von einer Stadt, die kein Dorf sein will, darf man erwarten, sorgfältig und schnell zu arbeiten. Oder hat das Referat, das jahrelang den Leerstand städtischer Wohnungen verwaltet hat, nicht verstanden, worum es geht? Dass Bellevue nicht bloß eine Unterkunft werden soll, sondern ein Symbol für das Miteinander von Münchnern und Menschen in Not. Irgendwann aber könnten auch die Engagiertesten die Geduld verlieren und sich einer anderen Freizeitbeschäftigung zuwenden.

OB Reiter hat den Umgang mit Flüchtlingen in seiner Stadt zur Chefsache gemacht. Das Thema Asyl ist sein Thema. Für das Desaster in der Bayernkaserne im vergangenen Herbst hat er zu Recht die Staatsregierung verantwortlich gemacht. Ein Scheitern Bellevues wäre das Scheitern des Dieter Reiter.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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