Kommentar:Es braucht einen kräftigen Ruck

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München hat ein hervorragendes Nahverkehrsnetz, Fahrgäste müssen sich trotzdem immer öfter ärgern. Der letzte große Wurf beim Ausbau liegt schon zu lange zurück

Von Dominik Hutter

Natürlich ist es leicht, immer mehr zu fordern: dichtere Takte bei der U-Bahn, neue Strecken, hypermoderne Züge. Aber ist es deshalb falsch? So lange die Frage mitbeantwortet wird, wer das alles zahlen soll, ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ein höchst sinnvolles Projekt - vor allem in einer wachsenden Region, deren Zuzügler nach Möglichkeit nicht nur aufs Auto setzen sollten. In München ist die Finanzierungsfrage geklärt: "Luxus-Projekte", falls eine solche Formulierung im Nahverkehr zulässig ist, zahlt die Stadt. Gut so. Das MVV-Angebot zählt zur Daseinsvorsorge. Und sollte daher Priorität im Haushalt einer vergleichsweise wohlhabenden Kommune genießen.

München hat zweifellos ein hervorragendes Nahverkehrsnetz. Nur: Immer mehr Fahrgäste ärgern sich immer öfter über Chaos bei U- und S-Bahn, über fehlende Tangenten und überfüllte Fahrzeuge. Das System wirkt, als sei es in die Jahre gekommen, der letzte größere Wurf liegt lange zurück. Das hat verschiedene Gründe: Das Rathaus hat es ein paar Jahre lang verschlafen, dass auch die einst so gut funktionierende U-Bahn voll gelaufen ist. Der Bau neuer Strecken benötigt aber eine lange Vorlaufzeit. Bereits gekaufte Züge stehen monatelang ungenutzt im Depot, weil das Zulassungsprozedere immer komplizierter wird. Ein politischer Grabenkampf verzögert die Tram-Westtangente.

Ein kräftiger Ruck würde dem Nahverkehr gut tun. Die Fertigstellung der längst überfälligen zweiten S-Bahn-Stammstrecke könnte so etwas bieten oder die Eröffnung der wichtigen Innenstadtlinie U 9. Weil bis dahin aber noch viele Jahre vergehen werden, muss es ein paar Nummern kleiner sein. Warum sollen die Züge nicht tagsüber im durchgehenden Fünf-Minuten-Takt durch die teuren U-Bahn-Tunnel rauschen? Das wäre ein spektakulärer und werbewirksamer Schritt. Mit in Wahrheit überschaubarem Aufwand: Es geht nur um ein paar Stunden zwischen den Stoßzeiten, in denen ohnehin schon zahlreiche Verstärkerzüge das Angebot ergänzen.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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