Kommentar:Erschwindelter Geldsegen

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Wer in München etwas finanzieren will, muss offenbar nur kreativ sein. Und mit ein paar Luftnummern kalkulieren

Von Dominik Hutter

Ein bisschen kreativ muss man schon sein, wenn man es in der Finanzpolitik zu etwas bringen will. Die Tradition des Geldbeutelwaschens zum Beispiel, die Kämmerer und Oberbürgermeister an diesem Mittwoch wieder zum fröhlichen Planschen am Fischbrunnen zusammenführt, hat bis heute die ansonsten unausweichliche Pleite der Stadt München verhindert. Aber auch die Rathaus-Opposition in Gestalt der Bayernpartei will sich nicht lumpen lassen, wenn es um das finanzielle Wohl der geliebten Heimatkommune geht.

Zwei Milliarden Euro, so hat es der Verkehrsdatenanbieter Inrix ausgerechnet, kosten die alltäglichen Staus auf den Straßen im Jahr - durch den Zeit- und Spritverlust. Dieses Geld liegt zwar auf keinem Konto. Ja, es existiert nicht einmal wirklich. Dennoch fände es die Bayernpartei schade, den Segen einfach irgendwo ungenutzt vermodern zu lassen. Zwei Milliarden Euro. Das reicht ja locker für ein paar Tunnel am Mittleren Ring, haben die Finanzjongleure der Partei ausgerechnet. Also her mit den Staukillern in Tieflage: Tegernseer Landstraße, Landshuter Allee - da macht es nicht einmal etwas aus, dass diese Abschnitte ohnehin schon ampelfrei sind und außerdem in den Stau-Top-Ten von Inrix gar nicht vertreten sind. Wer imaginäre zwei Milliarden ausgeben kann, darf ruhig etwas großzügiger sein.

Dem Vernehmen nach ist das nächste Geheimprojekt kreativer Finanzpolitik schon weit fortgeschritten. Entscheidet man sich bei einem der vielen städtischen Großprojekte für die mit Abstand teuerste Variante und sortiert sie anschließend wieder aus, ist die Ersparnis besonders hoch. Ein interfraktioneller Arbeitskreis des Stadtrats könnte klären, welche Planung dafür in Frage kommt und was mit dem erschwindelten Geldsegen später passieren soll. Weitere Autotunnel wird es allerdings nicht mehr brauchen - allein die zwei Milliarden Staugeld von 2016 reichen für drei bis vier neue Röhren am Ring. Möglicherweise wäre es sinnvoll, mit dem Geld die Strafzinsen zu bezahlen, die neuerdings auf den Konten der Stadt anfallen. Weil die Kämmerei leider so viele echte Euro auf der hohen Kante hat.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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