Kommentar:Die Stadt muss dem Markt trotzen

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Die Stadt will Genossenschaften beim Wohnungsbau bevorzugen. Gut so. Und dieser politische Wille darf nicht an rechtlichen Bedenken scheitern - denn sonst siegt ein entfesselter Markt

Von Anna Hoben

Da will die Stadt München das Richtige tun, nämlich Baugenossenschaften fördern, indem sie einen großen Teil ihrer Grundstücke an sie vergibt. Und dann das: Für die ausgeschriebenen Grundstücke in Freiham, dem größten Neubaugebiet der Stadt, bewirbt sich keine einzige Genossenschaft. Irgendwie peinlich, könnte man sagen. Es zeigt aber vor allem, wie die Stadt mit ihren Instrumentarien den Entwicklungen eines Marktes hinterherhechelt, dessen Preise völlig entfesselt nur eine Richtung zu kennen scheinen: immer nach oben. Investoren legen ihr Geld in sicheren Immobilien an oder spekulieren auf Wertzuwächse. Dadurch steigen die Grundstückspreise immer weiter an.

Vor fünf Jahren hat das Planungsreferat den Konzeptionellen Mietwohnungsbau (KMB) entwickelt, um die Grundstückspreise zu dämpfen und stabile Mieten zu sichern. Damals hat das noch funktioniert. Heute machen ironischerweise genau die KMB-Flächen die Grundstücke für Genossenschaften unbezahlbar. Kostete ein Quadratmeter Geschossfläche vor zweieinhalb Jahren noch 940 Euro, waren es in der Ausschreibung für Freiham bis zu 1420 Euro - eine Steigerung um 51 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren haben sich laut der Initiative "Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik" die Bodenpreise für den Wohnungsbau sogar verdreifacht.

Genossenschaften sind nicht gewinnorientiert, sie wirtschaften nur für ihre Mitglieder, denen sie dauerhaft bezahlbaren Wohnraum bieten. Die Stadt argumentiert, sie dürfe ihre Grundstücke nicht einfach unter Wert verkaufen. Das Ergebnis darf allerdings nicht sein, dass politischer Wille an rechtlichen Bedenken scheitert und es der Stadt München nicht gelingt, Grundstücke an Genossenschaften zu verkaufen. Sie muss nun alle Möglichkeiten ausloten, wie sie die Flächen zu bezahlbaren Preisen anbieten kann, statt sich dem Markt zu beugen. Der Markt jedenfalls wird sich den Wünschen der Stadt nicht beugen.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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