Kommentar:Die Partei macht es sich zu einfach

Das Gedenken an Nazi-Opfer ist ein denkbar schlechtes Thema für politisches Gerangel. Mit ihrem Stolpersteine-Beschluss hat die SPD-Basis sich und der Sache einen schlechten Dienst erwiesen

Von Dominik Hutter

Partei gegen Fraktion - das klingt vertraut. Nach der wenig ruhmreichen Kommunalwahl vor einem Jahr war dies eines der wichtigsten Themen in der Münchner SPD. Die analysierte sich damals selbst und lastete einen Gutteil der verlorenen Wählerstimmen den Stadträten an. Inzwischen herrscht allerdings ein anderer Wind in den SPD-Räumen im ersten Stock des Rathauses, die als verknöchert kritisierte Fraktion hat sich selbst neu erfunden. Der jetzige Streit über die Stolpersteine wirkt daher wie ein Konflikt aus anderer Zeit.

Es stimmt ja. Die Stadträte haben sich einfach über das Votum eines Parteitags hinweggesetzt, der sich 2010 für Stolpersteine ausgesprochen hat. Das kann nicht gut finden, wer damals selbst mitgestimmt hat. Nur: Während auf Parteiebene gerne theoretische Konstrukte gewoben werden, müssen sich Stadträte im Alltag mit Realpolitik auseinandersetzen. Ein einfaches Ja zu Stolpersteinen ist nun einmal mit der CSU nicht zu machen, und auch in der SPD sind sie umstritten. Ohnehin ist fraglich, ob man sich an einer einzigen von vielen denkbaren Varianten des Gedenkens, nämlich den Stolpersteinen, so festbeißen sollte, wie es derzeit viele in München tun. Nur weil alle anderen auch so verfahren?

Das Gedenken an die Nazi-Opfer ist ein denkbar schlechtes Thema für einen Koalitionskonflikt und Mehrheitsrangeleien, das hat die Rathaus-SPD erkannt. Ein breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens wäre die würdevollste Lösung dieses Problems, und der ist ganz offenkundig mit Stolpersteinen nicht zu erreichen. Dass bei den Sozialdemokraten nun aus den eigenen Reihen nachgetreten wird, nennt man gemeinhin: einen Bärendienst.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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