Kommentar:Die Mischung macht's

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Mehr als jeder zweite junge Münchner besucht ein Gymnasium. Und nur jeder zehnte Gymnasiast aus höheren Jahrgängen will nach dem Abitur eine Ausbildung machen. Das ist ein Problem

Von Katja Riedel

Jetzt sind sie wieder überall zu sehen, die Plakate mit modischen Schrifttypen, die Videos, in denen schimmerndes Morgenlicht in eine Schreinerwerkstatt fällt. In denen Holz aufs angenehmste knackt, um all jene zu erreichen, denen der Sinn weniger nach Werkstätten steht als nach fertigen Holzbänken, auf denen sie in den Hochschulen lernen. Mehr als jeder zweite junge Münchner besucht inzwischen ein Gymnasium. Und nur jeder zehnte Gymnasiast aus höheren Jahrgängen will nach dem Abitur eine Ausbildung machen. Das ist ein Problem.

Der Grad der Bildung ist für eine Gesellschaft ein Indikator, wie wohl es um sie steht. Und doch besteht eine funktionierende Gesellschaft aus unterschiedlichen Talenten und Tätigkeiten. Alle werden gebraucht. Nicht nur Ärzte, Juristen, Ingenieure, sondern auch Facharbeiter, Krankenpfleger oder Bürokaufleute. Doch den Ausbildungsberufen fehlt es zunehmend an Wertschätzung. Und das hat nicht immer etwas mit der Bezahlung zu tun, die in akademischen Berufen durchschnittlich, aber nicht in jedem Einzelfall höher ist. Gerade in den Großstädten ist ein bizarrer Wettkampf entstanden. Eltern messen, vergleichen, optimieren die Leistung ihrer Kinder von Geburt an. Sie wollen das Beste für ihre Töchter und Söhne in einem Umfeld, in dem viele von ihnen eine irrationale Abstiegsangst umtreibt, und der setzen sie optimale Bildungschancen für ihre Kinder entgegen. Schuld daran ist auch ein System, das früh selektiert und den Kampf um das Eintrittsticket, den "Übertritt", zusätzlich anheizt; das einteilt in vermeintliche Gewinner und Verlierer.

Praktisches Geschick oder besondere soziale Fähigkeiten, die in vielen Lehrberufen vonnöten sind, fließen bisher kaum in die Bilanz ein, mit der über Erfolg und Misserfolg einer Bildungskarriere beschieden wird. Um dies zu ändern, braucht es weit mehr Anstrengungen als einen Imagefilm.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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