Klare Empfehlung:Einsparen ist zu teuer

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Eine Studie hat den Ausstieg aus der Kohle untersucht - die wichtigsten Antworten

Von Dominik Hutter

Jahrelang hat sich niemand für das Kohlekraftwerk Nord interessiert - warum wird jetzt plötzlich über eine Abschaltung diskutiert?

Das Thema ist im Wahlkampf 2014 zunächst von der ÖDP gespielt worden und fand dann Einzug ins Bündnispapier von CSU und SPD. Die beiden Fraktionen vereinbarten, einen Ausstieg aus der Steinkohle per Studie prüfen zu lassen. Dieses Papier, gemeinsam erstellt von den Stadtwerken und dem Öko-Institut, liegt nun vor.

Was empfiehlt die Studie?

Die Experten sind zu dem Schluss gekommen, dass den Stadtwerken aus wirtschaftlichen Gründen eine Stilllegung nicht zuzumuten ist. Da im Kraftwerk Nord kombiniert Strom und Fernwärme erzeugt werden, sei es vergleichsweise effizient. CO₂ könne an anderer Stelle effektiver und vor allem billiger eingespart werden, etwa durch den weiteren Ausbau der regenerativer Energien. Diese Investitionen seien aber nicht mehr zu stemmen, wenn den Stadtwerken der Gewinn aus dem Kraftwerk Nord entgeht.

Wie hoch wären die finanziellen Einbußen für die Stadtwerke?

Die Studie hat vier Szenarien untersucht: einen vorzeitigen Ausstieg in den Jahren 2020, 2025 oder 2030 sowie als Referenz den Weiterbetrieb bis 2035 (zu diesem Termin erreicht der Kohleblock das Ende seiner Lebenszeit). Prinzipiell gilt: Je früher die Anlage stillgelegt wird, desto höher ist der entgangene Gewinn bis 2035. Je nach Entwicklung der Energiepreise müssen die Stadtwerke auf 55 bis 170 Millionen Euro (Ausstieg 2030), 180 bis 380 Millionen (2025) oder sogar 340 bis 600 Millionen (2020) verzichten.

Welche Auswirkungen hätte der Ausstieg auf die Umwelt?

Da der bislang mit Kohle produzierte Strom dann überwiegend aus dem (ökologischeren) Gaskraftwerk Süd oder aber von außerhalb der Stadt kommen müsste, wäre vor allem München Profiteur: Zwischen 5,4 und 24,7 Millionen Tonnen CO₂ blieben der Stadt bis 2035 erspart - je nach Ausstiegstermin und Entwicklung des Energiemarkts. Allerdings warnen die Autoren der Studie vor der ganz lokalen Brille. Realistischer sei es, die Auswirkungen auf Deutschland zu betrachten: minus 2,1 bis minus 12,7 Millionen Tonnen. Die Studie geht davon aus, dass der Ersatzstrom emissionsärmer produziert wird als im Kohlekraftwerk Nord, weil vor allem die derzeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht voll ausgelasteten Gaskraftwerke zum Einsatz kämen. Allerdings bleibt bei dieser Rechnung der Handel mit Emissionszertifikaten außen vor. Nur wenn sich die Politik dazu durchringt, die Zertifikate vom Markt zu nehmen, wird das CO₂ wirklich eingespart. Ansonsten könnten andere Firmen die Zertifikate übernehmen und für die eigene Produktion nutzen. Dies mitberücksichtigt, liege die CO₂-Einsparung bei europaweit "ungefähr null".

Gingen in München nach einer Abschaltung des Kraftwerks Nord die Lichter aus?

Nein. Nach Auskunft der Stadtwerke wäre allein das mit Gas betriebene Kraftwerk Süd in der Lage, einen Großteil des Ausfalls zu kompensieren. Allerdings rechnet das Unternehmen damit, dass neue Heizkraftwerke gebaut werden müssten, um die Fernwärmeversorgung sicherzustellen. Strom kann auch von außen zugekauft werden. Es lässt sich jedoch nur schwer vorhersagen, aus welchen Kraftwerken er stammen würde. Die Stadtwerke wollen bis 2025 ihre gesamte Stromproduktion auf erneuerbare Quellen umstellen. Dies funktioniert allerdings nur rein rechnerisch, da viele Anlagen weit entfernt sind.

Warum wird in München nicht einfach ein neues, ökologischeres Kraftwerk gebaut?

Diese Variante haben die Verfasser der Studie ausgeschlossen. Da es keine geeignete Anlage gibt, die mit regenerativen Energien eine vergleichbare Menge Strom und Wärme in München produziert, käme nur der Bau eines Gaskraftwerks in Frage. Gas aber ist seit einigen Jahren nicht mehr wirtschaftlich, es gibt bereits Debatten über die Stilllegung moderner Gaskraftwerke.

Gibt es Alternativen zum Weiterbetrieb des Kraftwerks bis 2035?

Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne) hält es für sinnvoll, trotzdem zwischen 2022 und 2025 aus der Kohle auszusteigen und den Stadtwerken den Verlust zu erstatten - durch einen Verzicht auf die jährliche Gewinnausschüttung von 100 Millionen Euro. Auch die Studie empfiehlt übrigens, in einigen Jahren noch einmal neu zu prüfen. Die grün-rosa Stadtratsfraktion schlägt einen sofort beginnenden, schrittweisen Ausstieg vor: jährlich minus zehn Prozent bis 2025. Das halten die Stadtwerke schon aus technischen Gründen für ausgeschlossen.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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