Kindergartenessen aus der Großküche:Großstadt-Hysterie wegen einer Fruchtfliege

Lesezeit: 4 min

SZ-Leser halten die fristlose Kündigung eines Caterers für eine völlig überzogene Reaktion und mahnen Eltern zu mehr Gelassenheit

"Die Fruchtfliegen-Falle" vom 9. April:

Alles bio, wozu die Aufregung?

Eltern können ihre Kinder nicht vor allen Gefahren bewahren, wie ich aus eigener Erfahrung weiß - auch vor Fruchtfliegen nicht. Wenn trotzdem der Anspruch angemeldet wird, auf Versorgung und wohl auch auf die Pädagogik ihrer Kinder Einfluss zu haben, empfehle ich diesen Eltern, ihr Kind bei einer Elterninitiative anzumelden; dort zahlen sie mehr, müssen zum Teil selbst kochen und dürfen an der unausweichlichen üblichen Gruppendynamik in Initiativen teilhaben.

Die fristlose Kündigung der Cateringfirma durch das Bildungsreferat halte ich für maßlos übertrieben - eine Ermahnung hätte es auch getan. Es scheint aber so zu sein, dass aus Angst vor Helikopter-Eltern, Regressansprüchen oder Fehlervorhaltungen die Stadtmitarbeiterinnen und -mitarbeiter lieber "Konsequenz" demonstrieren. Aber was machen sie, wenn der Ersatz-Caterer auch Fruchtfliegen im Essen hat? Warum wird den Eltern nicht klar gemacht, dass jedes gesunde Obst und Gemüse von Natur aus Fruchtfliegeneier im "Portfolio?" haben kann - die werden nur unbemerkt mitgegessen. Alles bio. Dr. Klaus Neumann, München

Überzogene Ansprüche

Die Nachricht, dass der Anbieter "Bio-Kontor 7" wegen einer Lebensmittelmotte und einer Fruchtfliege fristlos gekündigt wurde, macht mich einigermaßen fassungslos. Ich frage mich, ob die Eltern, die sich wegen einer Fliege im Essen eines engagierten Bio-Caterers aufregen, noch ganz bei Trost sind. Jeder hat wohl schon einmal einen Käfer oder ähnliche Insekten in Produkten von Großbäckereien gefunden, was nicht wünschenswert ist, aber schlicht einmal passieren kann. Bevorzugen diese Eltern Caterer, die keinen Wert auf Bioprodukte legen und Fleisch nicht aus artgerechter Haltung beziehen, dafür aber günstig produzieren können und ordentlich Schinken in die Nudeln geben?

Nicht Fleisch, sondern Getreideprodukte und Gemüse sollten Sattmacher sein, die Bio-Kontor 7 sehr bewusst und meiner Erfahrung nach ausreichend einsetzt. Ich habe mehrere Jahre als Schulsekretärin mit Bio-Kontor 7 zu tun gehabt und wünschte mir, es gäbe mehr von dieser Sorte Caterer. Fehler können sich natürlich immer einschleichen, aber diese Firma war immer offen für Kritik und Wünsche von Eltern oder Schulpersonal.

Durch das Essen in den Schulen bietet sich die Gelegenheit, Kinder auch in diesem Bereich zu erziehen, zu gesundem und ökologisch verträglichem Essen. Wer meint, dass sein Kind mehr Schinken benötigt, kann das doch ohne Probleme beim Frühstück, Abendessen und am Wochenende ausgleichen. Susanne Keller, Bruckmühl

Unverhältnismäßige Reaktion

Mit Verwunderung habe ich den Artikel gelesen und frage mich, ob bei uns beim Thema Essen und Verpflegung wirklich noch alles in Ordnung ist. Ich kann zwar verstehen, dass ein Kind mit Ekel reagiert, wenn es ein Insekt im Essen findet. Ich kann nicht verstehen, warum einem Caterer aufgrund dessen gekündigt wird. Der Betrieb unterliegt mit Sicherheit strengen Hygienevorschriften und wird auch kontrolliert. Wenn es von Seiten der Kontrolle keine Beanstandungen gab, könnte man auch besonnen reagieren und das Gespräch suchen. Es schien ja kein Dauerzustand zu sein.

Mir drängt sich bei diesem Thema die Frage auf, was Kindern heute noch "zugemutet" werden darf. Eine Fruchtfliege ist nicht lebensbedrohlich oder gesundheitsgefährdend und lässt sich leicht entfernen. Das Essen ist dadurch nicht grundsätzlich verdorben. Es ist befremdlich, wenn einerseits der biologische Landbau gefördert werden soll - was durchaus Sinn macht - andererseits aber kein Insekt in die Nähe von Lebensmitteln gelangen darf. Bienen und Schmetterlinge sollen geschützt werden, Fruchtfliegen und Motten leben leider ebenfalls in der Nähe des Menschen. Wie soll das gehen - die hübschen Insekten behalten wir, die, die uns nicht so sehr ansprechen, sollen weg? Wer den Schmetterling sehen will, wird die Raupe aushalten müssen. Das Thema ist emotional extrem aufgeheizt und hat mit rationalen Entscheidungen nur noch wenig zu tun. Es kocht eben jemand anders, und dieser kocht nie gleich wie Mutter oder Vater. Kritik ist programmiert. Ich würde mir bei diesem Thema mehr Gelassenheit wünschen. Kein Betrieb sollte um seine Existenz bangen müssen, wenn er versucht, ein ausgewogenes und gesundes Essen für Kinder zu kochen. Lisa Schmidl, Geisenhausen

Das ideale Catering: Die Jagd nach einem Phantom

Der Artikel nimmt sehr schön die bekannten Diskussionen zum Thema Essen in Kindertagesstätten und Schulen auf. Wer selber Kinder hat, kennt die Thematik nur zu gut. Ein Teil des Problems ist allerdings nicht genannt worden: Wenn Eltern die Kinder in die betreuenden Einrichtungen geben, dann geben sie eben auch ein wenig der Einflussmöglichkeiten ab. Das ist ja auch ein gesellschaftlich gewünschter Teil der gemeinschaftlichen Betreuung - dachte ich jedenfalls. Das betrifft sowohl den pädagogischen Teil, wie eben auch andere Aspekte der Betreuung. Wann lernen die Eltern, dass in einer Gruppe nicht nur eigene Vorstellungen durchgesetzt werden können? Wenn ich der Meinung bin, dass mein Kind nicht genug Fleisch bekommt, dann habe ich ja auch noch die Möglichkeit, bei den anderen Mahlzeiten selbst mehr Fleisch anzubieten. Anderen sind die Schinkenwürfel schon wieder zu viel. Wie soll eine Einrichtung all diese Spezialwünsche erfüllen? Wenn mein Kind von anderen betreut wird, lernt es idealerweise auch andere Werte kennen - auch bei der Ernährung. Wo ist das Problem?

Das wichtigste ist doch die Qualität der Speisen. Nach meiner Erfahrung ist die höchste Qualität beim Essen in einer Einrichtung mit einer eigenen Küche zu erreichen. Sie kann dann direkt auf Vorlieben eingehen, wenn sie mehrheitlich sind. Aber dafür muss die Toleranz bei der Auswahl groß genug sein, und die ideologischen Wünsche müssen zurückstehen. Dann kann zumindest bei vernünftigen Preisen auch eine frische und abwechslungsreiche Ernährung gewährleistet werden. Wer weiterhin auf Großanbieter setzt oder setzen muss, wird nie die Wunsch-Qualität erreichen. Da hilft auch nicht das demonstrative Wechseln von Anbietern. Wer selbst in Kantinen isst oder schon einmal in Großküchen geschaut hat, weiß das. Andrea Vildósola, München

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© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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