Kinder im Museum:Mit göttlichem Beistand

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Wie erweckt man Statuen zum Leben? Die Glyptothek schickt Kinder zwischen sechs und 14 Jahren mit einem Tablet auf die Reise durch die Antike. Sie können raten, puzzeln, spielen - oder einfach zuhören

Von Barbara Hordych

Diese Medusa ist schon ein arg gruseliges Geschöpf: Jeder, der ihr in die Augen blickt, erstarrt sofort zu Stein. Dieses Schicksal hat schon viele antike Helden ereilt, die versucht hatten, sie zu töten. Doch Perseus, der griechische Heros, ist clever. Mit einem Trick gelingt es ihm, ihr das Haupt mit den gefährlich züngelnden Schlangen abzuschlagen. Aber wie genau schaffte er das?, fragt Glauki, die Museumseule, die Zweitklässler einer Grundschule aus Tutzing. Die wandern am Dienstagvormittag durch die Säle der Glyptothek. Sie testen als erste Versuchsgruppe auf Tablets einen Multimediaguide, den vom 1. Februar an alle Besucher ausleihen können. Mal hoch konzentriert in Rätsel und Spiele vertieft, mal fröhlich plaudernd vor den Statuen mit ihren abgeschlagenen Nasen, Armen und Beinen verweilend, ziehen sie einzeln oder in Gruppen durch die Säle. Geleitet von der vorwitzigen Glauki und der goldglänzenden, klugen Statue der Göttin Athena.

An zwölf Stationen stellt das Duo den Kindern im Dialog verschiedene Objekte vor, zu denen es im Multiple-Choice-Verfahren Fragen zu beantworten gilt; alternativ stehen aber auch Spiele mit Museumsobjekten zur Verfügung, darunter Memory, ein Puzzle oder ein Labyrinth. Doch zurück zu Perseus. Vier mögliche Antworten werden angeboten: Trug er beim Kampf mit der Medusa vielleicht eine Sonnenbrille? Kichernd zeigt ein Junge auf das entsprechende Bild, ein antiker Perseuskopf, geschmückt mit einer dunklen Brille. "Sieht aus wie dieser Smiley auf den Handys." Oder hat er sich eher feige "von hinten angeschlichen"? Er könnte aber auch einfach "die Augen zugemacht" haben. "Ich weiß, er hat einen Spiegel benutzt!", ruft da der siebenjährige Andreas. "Den hatte er bei sich. So musste er der Medusa nicht direkt in die Augen schauen, sondern sah im Spiegel, wohin er hauen musste", erklärt er den anderen. Die drücken nun alle auf das entsprechende Feld auf ihrem Tablet - siehe da, die Antwort stimmt! Wobei Andreas einräumt, die Geschichte schon zu kennen. "Von meinem Papa. Der ist hier stellvertretender Direktor".

Währenddessen haben sich die Freundinnen Emma, Lisa-Marie und Johanna vor der Grabplatte der Plangon versammelt. Die zeigt ein junges Mädchen, das in der rechten Hand eine Puppe, in der linken einen kleinen Vogel hält. Zu Füßen der Figur sitzt eine Gans und schaut zu ihr auf. "Das waren meine liebsten Spielsachen", beginnt sie jetzt zu erzählen. "Und die Gans, die möchte mit mir spielen." Die Kinder damals hatten nicht so viele Spielsachen wie die heute, erklärt dazu die kluge Athena. Dafür lebten die Menschen in der Antike aber oft mit ihren Haustieren zusammen. "Cool, lebende Spielgefährten!", kommentiert Glauki. Die Mädchen sollen nun herausfinden, aus welchem Material wohl die Puppe ist, die Plangon ihrer Gans zu zeigen scheint. Dies zu beantworten, reizt die Mädchen allerdings doch weniger als das alternativ angebotene Videospiel: In einem Puzzle setzen sie auf dem Tablet Teile zu dem Barberinischen Faun in Saal I zusammen.

"Schon als wir 2013 unseren ersten Mediaguide für Erwachsene herausbrachten, dachte ich, dass wir unbedingt auch etwas für Kinder machen müssen", sagt Florian Knauß, Direktor der Glyptothek und der Antikensammlungen. Doch er wollte dafür ein ganz anderes Konzept: "Keine konventionelle Wissensvermittlung von Objekt zu Objekt. Sondern spannend gestaltet, viel bunter, interaktiv und mit einem Augenzwinkern." Die Auswahl aus den rund 400 Objekten in der Glyptothek oblag den Museumswissenschaftlern, neben Knauß noch seinem Stellvertreter Christian Gliwitzky und der Konservatorin Astrid Fendt. Sie entschieden sich für 24 Exponate und Inhalte, schrieben die Drehbücher und die Dialoge - je zwölf für zwei einstündige Führungen. Die eine richtet sich an Neun- bis Vierzehnjährige, die andere an Sechs- bis Neunjährige. Das Tempo können die jungen Museumsbesucher individuell bestimmen. "Das war uns ganz wichtig. Die Animationen und die Quizfragen sind so angelegt, dass jeder selbst entscheidet, wann es weitergeht", sagt Knauß.

"Schon traurig, sie war ja nicht viel älter als wir", überlegt derweil die achtjährige Johanna vor der Grabplatte der Plangon. Wie finden die Freundinnen den Vormittag, den sie nicht in der Schule, sondern in der Glyptothek verbringen? "Ich hatte mich schon drauf gefreut", antwortet Johanna. "Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so cool ist!" Sie war noch nie hier, genauso wenig wie ihre Freundin Lisa-Marie. "Aber ich war schon mit Oma und Opa im Museum in Frankfurt. Da haben wir auch eine Führung mit Kopfhörern gemacht. Das war aber viel langweiliger, denn da wurde nur erzählt. Da gab es keine Spiele und keine Rätselfragen." Und schon sind sie wieder weiter, zum nächsten Saal, zur nächsten Statue, zur nächsten Aufgabe.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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