Kinder berichten von sexuellen Übergriffen:Ermittlungen gegen Kinderpfleger eingestellt

Lesezeit: 2 min

Nachdem Kinder von sexuellen Übergriffen in ihrer Kita berichtet hatten, wurde der betroffene Mitarbeiter vom Dienst suspendiert. Die Vorwürfe seien nicht zu beweisen, sagt die Staatsanwaltschaft. Eltern sind entsetzt über die Entscheidung.

Bernd Kastner

Die Ermittlungen gegen einen städtischen Kinderpfleger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs sind eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft bestätigte entsprechende Informationen der SZ: Die Vorwürfe gegen den Mann seien nicht zu beweisen. Bei betroffenen Eltern stieß die Entscheidung auf Unverständnis. Der Verdacht des sexuellen Missbrauchs an Buben und Mädchen eines städtischen Kindergartens war im Juni 2011 aufgekommen. Kinder hatten ihren Eltern von angeblichen Übergriffen berichtet. Die Stadt suspendierte daraufhin den Pfleger sofort und kündigte nun an, sich trotz Einstellung des Verfahrens von dem Mann zu trennen: "Er wird nicht mehr in städtischen Kindertageseinrichtungen arbeiten."

Schon kurz nach Bekanntwerden des Verdachts hatte die Stadt erklärt: "Wir glauben den Kindern." Dennoch fühlten sich einige Eltern allein gelassen. Sie kritisierten heftig das Krisenmanagement des zuständigen Bildungsreferats. So soll ein erster Elternabend desaströs verlaufen sein, auch Äußerungen von Referatschef Rainer Schweppe wirkten unsensibel. Bürgermeisterin Christine Strobl entschuldigte sich daraufhin öffentlich für diverse Pannen. Mittlerweile wurden Notfallpläne und ein Leitfaden erstellt für Kita-Mitarbeiter, wenn Verdacht auf sexuellen Missbrauch aufkommt. Auch ein umfangreiches Handbuch sei in Arbeit. Das sind Materialien, die es so in städtischen Kindereinrichtungen bislang nicht gab.

Kripo und Staatsanwalt ermittelten ein Jahr lang gegen den Kinderpfleger. Mehrere Kinder wurden von Polizisten und einem Richter befragt. Thomas Steinkraus-Koch, Sprecher der Staatsanwaltschaft, erläutert die Einstellung: "Wir dürfen nur dann jemanden anklagen, wenn wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es zu einer Verurteilung kommt." In diesem Fall aber widersprächen sich die Aussagen der Kinder untereinander zu stark. Auch seien sie möglicherweise beeinflusst worden, etwa durch Gespräche unter Kindern oder mit Eltern. Er verstehe, dass dieses Ergebnis für die Eltern unbefriedigend und kaum nachvollziehbar sei. Sollten aber zu einem späteren Zeitpunkt neue Hinweise auf den Tisch kommen, könne der Fall nochmals aufgerollt werden.

Der Verteidiger des Beschuldigten sieht in diesem Fall ein weiteres Beispiel dafür, wie sensibel mit Vorwürfen dieser Art umzugehen sei. Erfreut zeigte er sich, dass sein Mandant zumindest nicht in Untersuchungshaft genommen worden war.

Mehrere Eltern von Kindern, die Übergriffe geschildert hatten, reagierten enttäuscht und teils entsetzt auf die Einstellung des Verfahrens. "Wir glauben unseren Kindern", betont ein Vater. Eltern berichten von teils auffälligem Verhalten ihrer Töchter und Söhne in den vergangenen eineinhalb Jahren, das diese bis dahin nicht gezeigt hätten. Noch ist offen, ob die Eltern Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen einlegen werden. Sie befürchten, dass ihre Kinder nochmals befragt würden, was eine weitere enorme Belastung für die Familie wäre. "Das halten wir nicht durch", sagt ein Vater. Ein Kind habe bisher schon viermal das Erlebte erzählen müssen, der Kripo, einem Richter und zweimal einer Psychologin, die ein Gutachten zur Glaubwürdigkeit anfertigte.

Die Kommunikationsstrategie der Stadt stößt auch jetzt wieder auf Kritik bei Eltern. Das Bildungsreferat hat einen Brief mit Informationen über das Verfahrensende und die Trennung von dem Pfleger an jene Eltern geschickt, deren Kinder die betroffene Kita noch besuchen. Viele Kinder aber haben im vergangenen Sommer diesen Kindergarten verlassen, sodass einige Eltern offiziell noch immer im Unklaren sein dürften. Referatssprecherin Eva-Maria Volland erklärte auf Nachfrage, dass man auch die Eltern informiere, die noch Kontakt zu ihrem alten Kindergarten hätten. Aber jenen, deren Adressen man nicht habe, "können wir schlecht nachlaufen".

© SZ vom 07.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: