Kardinal Marx kündigt Pilotprojekt an:Im Team mit dem Kollegen Priester

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Kehrtwende im Erzbistum: Pfarreien sollen nicht mehr nur streng hierarchisch von einem Geistlichen geführt werden. Laien bekommen mehr Verantwortung

Von Jakob Wetzel, München

Es ist zunächst nur ein Test, in den meisten katholischen Pfarrgemeinden bleibt alles beim Alten. Und doch ist es ein Paradigmenwechsel: In ausgewählten Pfarrverbänden im Erzbistum München und Freising hat künftig nicht mehr der Pfarrer das letzte Wort. Stattdessen sollen von Herbst diesen Jahres an in drei Pilotprojekten Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen die Verantwortung übernehmen. Darunter ist auch ein Priester, der aber nur noch gleichberechtigter Kollege sein soll. "Im Team ist keiner der Chef", sagte Erzbischof Reinhard Marx, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, bei der Vorstellung des Projekts am Montag in München. Der Kardinal spricht selbst von einem Umbruch.

Tatsächlich steht hinter der Entscheidung auch ein persönliches Umdenken des Kardinals. Als Marx im Jahr 2008 sein Amt als Erzbischof im Erzbistum München und Freising antrat, verwarf er Modelle, nach denen im Einzelfall statt eines Priesters auch ein Laientheologe, also etwa ein nicht geweihter Pastoralreferent, als Pfarrbeauftragter eine Pfarrei leiten konnte. An der Spitze sollte vielmehr ein geweihter Priester stehen. Weil deren Zahl aber abnimmt, wurden zunehmend Pfarreien zu Verbänden zusammengelegt. Dass dieser Weg nicht die Lösung sei, habe er mit den Jahren erst lernen müssen, sagte der Kardinal am Montag. "Es gibt Grenzen, bis zu denen man noch von einer Ortskirche sprechen kann." Zudem seien nicht alle Priester in der Lage, große Pfarrverbände zu führen. Man wolle sie von Management- und Verwaltungsaufgaben entlasten, um ihnen mehr Raum für die Seelsorge zu geben.

Die Pilotprojekte sollten nun aber nicht zum Vorbild dafür werden, wie sich die Kirche flächendeckend strukturieren wolle, betonte Marx. Es gehe vielmehr darum, eine zusätzliche Möglichkeit zu schaffen, wie Pfarrverbände geleitet werden können. Auch künftig wird es also Pfarreien und Pfarrverbände geben, die von einem Priester geleitet werden; manche werden bereits von einem Team unterstützt, andere nicht. Für eine Übergangszeit schloss Marx auch nicht mehr aus, die Leitungsverantwortung wieder an einen Pfarrbeauftragten, also etwa einen Pastoralreferenten, zu übertragen, "so wie wir das schon einmal hatten". Er könne sich das als Provisorium durchaus vorstellen, sagte der Kardinal. Allerdings solle der Schwerpunkt darauf liegen, Teams zu bilden. Davon verspreche er sich nicht nur eine Entlastung der Priester, sondern auch, dass sich die Gemeindemitglieder stärker einbringen. "Dieses innovative Modell bringt die Gemeinde neu in Fahrt", sagte Marx.

Wie genau die Teams ausgestaltet werden und wer welche Kompetenzen erhalten soll, werde man abhängig von der Situation in den ausgewählten Pfarrverbänden entscheiden, sagte Robert Lappy. Er ist selbst Pastoralreferent und Hauptabteilungsleiter im Ordinariat sowie Leiter des Projekts "Pastoral planen und gestalten", auf das die Pilotprojekte zurückgehen. Man müsse sehen, wer wie viel Zeit und welche Fähigkeiten einbringen könne und wolle. In jedem Team werde es einen Koordinator geben, der aber keine alleinige Entscheidungsbefugnis haben soll. Koordiniert werde alles auf Dekanatsebene.

In welchen Pfarrverbänden dieses Modell erprobt werden soll, will die Kirche noch in diesem Monat klären. Es gebe bereits Überlegungen, sagte Lappy. Die drei Bischofsvikare im Erzbistum würden in ihrer jeweiligen Seelsorgsregion Pilotdekanate auswählen, in denen dann jeweils ein Projekt beginne. Dabei gehe es aber nicht darum, konkrete Probleme in den Gemeinden zu lösen, etwa Konflikte zwischen Gemeinde und Pfarrer. "Das wäre natürlich verlockend", sagte Klaus Peter Franzl, der Leiter des kirchlichen Personalressorts. Man müsse aber im Gegenteil Pfarrverbände auswählen, in denen die Zusammenarbeit gut funktioniere. "Wenn wir mit dem Projekt in eine extrem problembelastete Situation gehen, dann wird nichts herauskommen."

Konsequenzen verspricht sich die Kirche für das Berufsbild des Priesters. Künftig werde man schon in der Ausbildung stärker darauf achten, dass nicht jeder Priester eine Pfarrei übernehmen werde. Ein Theologiestudium und die Priesterweihe qualifizierten ja nicht automatisch für Verwaltungsaufgaben, sagte Franzl. Kardinal Marx sprach von einer Wende auch in der Personalentwicklung und im Fortbildungsangebot. "Die Erkenntnis, dass nicht alle Seminaristen von ihrer Persönlichkeit her in der Lage sind, eine Pfarrei zu führen, ist nicht neu", sagte Marx. "Aber bis man sich dem stellt, dauert es eben etwas."

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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