322 Kandidaten für 304 Sitze:Wenig Auswahl, wenig Wähler

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An den Hochschulen werden derzeit die Studierendenvertreter bestimmt

Von Jakob Wetzel

Markus Göttfert versucht gar nicht erst, die Lage zu beschönigen. An diesem Dienstag und am Mittwoch sind Hochschulwahlen an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). 46 988 Studentinnen und Studenten sind dazu aufgerufen, ihre Vertreter zu wählen. Doch läuft es so wie in den vergangenen Jahren, dann wird kaum einer hingehen. 50 Jahre nach der Studentenrevolte von 1968 hat sich die Wahlbeteiligung in der LMU bei elf bis zwölf Prozent eingependelt, an der Technischen Universität (TU) und der Hochschule für angewandte Wissenschaften, wo bereits gewählt wurde, ist es ähnlich. "Viele Studierende nehmen die Hochschulwahl als solche gar nicht wahr", klagt Göttfert. Bei größeren Fachschaften sei das Engagement zwar oft hoch. "Aber es gibt auch Studiengänge, da liegt die Beteiligung im Promillebereich."

Göttfert ist einer von zwei Geschäftsführern der LMU-Studierendenvertretung. Der angehende Soziologe weiß selbst nicht, was er unternehmen kann. "Wenn wir wüssten, wie wir die Wahlbeteiligung steigern könnten, hätten wir das längst umgesetzt", sagt er. Im Kern sei das Problem, dass viele gar nicht wüssten, worum es geht. Doch für große Info-Kampagnen fehlt das Geld. Und es gäbe viel zu erklären.

Denn zur Wahl steht nicht, wer sich vor Ort in der Fachschaft engagiert, dort Partys organisiert oder Skripten verkauft. Zur Wahl steht, wer ein Jahr lang die Interessen der Studierenden in den Gremien der Uni vertritt, vor allem im Senat und in den Fakultätsräten; dort wird etwa über Studienordnungen, Forschungsschwerpunkte und Berufungen von Professoren entschieden. Diese Arbeit ist oft kleinteilig und wenig sichtbar. Was Wähler zusätzlich abschreckt: Große Auswahl gibt es nicht. An der LMU werden 304 Sitze vergeben, es treten aber nur 322 Kandidaten an. In vielen der 53 Fachschaften gibt es ebenso viele Kandidaten wie Plätze. Und nur in der juristischen Fakultät gibt es die Wahl zwischen konkurrierenden Listen. Noch dazu wird an der LMU indirekt gewählt, was etwas unübersichtlich wirkt. Die Studenten bestimmen Vertreter ihrer Fachschaften, die ihrerseits Sprecher und Referenten wählen und eigene Vertreter in die Gremien schicken. Dazu bilden sie einen zentralen Konvent, eine Art Parlament.

Und auch mit nennenswerten Befugnissen können die Studierendenvertreter keine Wähler locken. In Bayern gibt es seit 1974 keine selbständige verfasste Studierendenschaft mehr, sondern nur eine abgeschwächte Form der Mitbestimmung. Die Studierenden können nicht einmal frei über ihren Etat verfügen, 70 000 Euro sind das jährlich an der LMU, das Geld kommt aus dem Wissenschaftsministerium. Irrelevant sei die Arbeit deshalb aber nicht, sagt Göttfert. "Wir sind in vielen Gremien mit Stimmrecht vertreten. Und unsere Anliegen finden immer mehr Gehör."

Zuletzt habe man außerdem viele kleine Dinge angeschoben, zählt Göttfert auf. Oft gehe es um fehlende Lern- und Studienräume. Derzeit verhandle man auch darüber, ob man die Termine der jährlichen Hochschulwahlen und mit ihnen die Amtszeiten der Studierendenvertreter verschieben könnte, damit alles besser mit den Studienplänen von Bachelor und Master vereinbar ist. Und man versuche auch, die Studierenden für politische Themen zu sensibilisieren, etwa für das Polizeiaufgabengesetz oder den bayerischen Kreuzerlass.

Die niedrige Wahlbeteiligung ist dabei freilich ein Problem: Sie nagt an der Legitimität der Studierendenvertretung. Doch was tun? Seit einem Jahr gebe es bereits mehr Wahllokale, nicht mehr nur eines pro Fakultät, sagt Göttfert. Derzeit diskutiere man auch über eine Online-Abstimmung, dagegen gebe es Sicherheitsbedenken der Informatiker. Und in Zukunft ist unter anderem eine Fahrrad-Reparaturwerkstatt von Studenten für Studenten geplant, noch verhandle man mit der Uni-Leitung. Mobilität sei ja überhaupt ein großes Thema für Studenten, sagt Göttfert, und das Fahrrad das wichtigste Verkehrsmittel neben U-Bahn, S-Bahn, Tram und Bus. Aber wenn es diese Werkstatt einmal geben sollte, wäre es auch eine Art von Werbung für die Studierendenvertretung, eine Art von Weckruf, dass es sie gibt.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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