Kampf gegen Menschenrechtsverletzung:Blitze im Kopf

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Fadumo Korn setzt sich seit nahezu 20 Jahren für Mädchen und Frauen ein, die ihr Leben lang wegen einer Genitalverstümmelung leiden

Von Sven Loerzer, München

Wenn Fadumo Korn von einer Familie mit vier Töchtern erzählt, der die Abschiebung in ihre afrikanische Heimat droht, dann wird sie richtig wütend. Denn sie weiß, was drei der vier Mädchen nach ihrer Rückkehr angetan werden wird - obwohl die Eltern gerade deshalb geflohen sind: um die grausame Beschneidung ihrer Kinder zu verhindern. Die Schwiegermutter hatte schon bei einer Tochter dafür gesorgt, dass sie, als die Eltern einmal abwesend waren, beschnitten worden ist. Um den anderen drei Mädchen dieses Schicksal zu ersparen, flüchtete die Familie. Doch nun lebt sie in Angst vor der Rückkehr.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe die Anerkennung verweigert, sagt Fadumo Korn, weil die Mutter die Bedrohung durch die Schwiegermutter nicht glaubhaft darlegen könne.

Genitalverstümmlung beschreibt besser, was Mädchen bei dem grausamen Ritual erleiden: "Es ist, wie wenn Blitze im Kopf explodieren", erklärt Fadumo Korn, die das als siebenjähriges Mädchen in Somalia selbst erlebt hat. "Die ersten Minuten sind die schlimmsten. Dann fällt man gnädigerweise in Ohnmacht."

Wer das überlebt, leidet nicht nur in den ersten Wochen danach, sondern meist ein Leben lang unter den Folgen des Eingriffs, der immer noch in vielen Ländern Afrikas, einzelnen arabischen und asiatischen Ländern praktiziert wird. Viele der mehr als 10 000 Mädchen und Frauen, die aus diesen Ländern kommen und in München leben, dürften zu den Betroffenen zählen. Seit fast 20 Jahren kämpft Fadumo Korn gegen die gravierende Menschenrechtsverletzung, unter der Schätzungen zufolge weltweit rund 140 Millionen Frauen leiden. Zusammen mit Mitstreiterinnen hat sie den Verein Nala gegründet, der Aufklärung betreibt, Fachkräfte im Sozialbereich sensibilisiert, aber auch Beratung und konkrete Hilfe in Notlagen bietet. All das geschieht ehrenamtlich. Drei Gynäkologinnen kümmern sich um medizinische Hilfe für die Frauen, auch zwei Kliniken haben Spezialisten für die Rückoperation. Inzwischen gibt es sogar plastische Chirurgen, die ehrenamtlich korrigierende Eingriffe vornehmen, die von den Krankenkassen nicht bezahlt werden.

Fadumo Korn hat überdies eine Mädchengruppe gegründet, in der sie Flüchtlingsmädchen, die ohne Eltern in München leben, Halt, Orientierung und Werte vermittelt. Zusammen mit Helferinnen bietet sie 20 Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren Beistand. Für diese Arbeit erhielt sie zu den vielen Auszeichnungen, die ihr schon zuteilwurden, im vergangenen Jahr im Landtag den Ellen-Ammann-Preis des Katholischen Deutschen Frauenbundes.

Seit 2013 ist Genitalverstümmlung ein eigener Strafbestand. Strafbar macht sich nicht nur, wer einen solchen Eingriff vornimmt, sondern auch wer daran teilnimmt, dazu anstiftet oder ihn duldet. Auch die Ämter seien inzwischen stärker für das Thema sensibilisiert. Das Gesetz sei wichtig, aber die Prävention noch wichtiger, sagt Fadumo Korn. Sie hofft, dass die Präventionsarbeit künftig auch über Zuschüsse finanziert wird, denn ehrenamtlich, ohne Räume, sei dies nicht mehr zu bewältigen.

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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