Kalender:Der Zeit voraus

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Gut muss es aussehen. Dafür prüft Ute Hammer die Probeabzüge der neuen Jahreskalender. (Foto: Claus Schunk)

In Unterhaching sitzt Deutschlands größter Kalender-Verlag, der jedes Jahr mehr als 1000 Titel auf den Markt bringt. Die Planungen für 2018 laufen längst

Von Günther Knoll

Dieser Besuch erfolgt im Grunde wenigstens ein Jahr zu spät: Denn im KV&H-Verlag, der seinen Hauptsitz an der Ottobrunner Straße in Unterhaching hat, denkt man längst nicht mehr an 2016, sondern bereits an die Angebotspalette für 2018. Denn sogar das Jahr 2017 ist dort schon unter Dach und Fach, der erste Katalog wird jetzt im November fertig, "so dass die Buchhändler sich über Weihnachten damit in Ruhe beschäftigen können", sagt Ute Hammer. "Verlagsleitung" und "Vice President Editorial" steht auf ihrer Visitenkarte, sie verantwortet im Grunde das gesamte Kalenderprogramm des Verlags. Und das besteht für 2016 aus mehr als 1000 Titeln, für die in zwei dicken Katalogen geworben wird.

Die drei Verlage Heye, Harenberg und Weingarten sind nach der Fusion 2009 zum Branchenprimus in Sachen Kalender für den gesamten deutschsprachigen Raum geworden. Die Deutschen seien ausgesprochen "kalenderaffin", sagt Ute Hammer, in anderen Ländern sie diese Form der Datumsanzeige nicht so gefragt. Im alten Rom wurden die Tage einst jeweils zu Anfang eines Monats auf dem Forum öffentlich ausgerufen. "Calare" heißt rufen auf lateinisch, was zum Wort "calendae" für den Monatsanfang wurde. Damit war auch das Fälligkeitsdatum für Zahlungen gemeint, doch heute würde sich kaum einer den Termin für die Steuer rot im Wandkalender anstreichen.

Etwa acht Millionen Kalender lässt der Verlag pro Jahr drucken: in allen möglichen Formaten vom Familienplaner über die Bereiche Reisen, Kultur und Kochen bis zum Sprachkalender und zum anspruchsvollen Kunstkalender für fast einhundert Euro mit einem Format von 100 mal 70 Zentimeter. Die drei früher eigenständigen Verlage besetzen jeweils eigene Segmente. Heye hat den Familienplaner erfunden, der inzwischen mit vier Millionen Exemplaren auf dem Markt ist. Dazu ist man Marktführer in Sachen Lizenzen, so dass zum Beispiel auch die Minions im Kalenderformat zu bestaunen sind. Es gibt den alljährlichen Heye- Fußballkalender ebenso wie den mit Loriot-Zeichnungen oder den mit Cartoons von Mordillo. Harenberg hat sich einen Namen gemacht mit seinen Wissenskalendern, mit dem Sehnsuchtskalender, der schöne Ecken der Welt im Postkartenformat zum Abreißen zeigt, und den Wochenplanern.

Weingarten schließlich ist für das Premiumsegment zuständig. In diesem hochwertigen Markt sei die Konkurrenz besonders stark, sagt Hammer. Deshalb müsse man entsprechend erfindungsreich sein. Die Kunsthistorikerin, die früher in Galerien und im Sachbuchbereich arbeitete, gerät über die Produkte aus dem eigenen Haus ins Schwärmen. Nicht nur über außergewöhnliche Fotografien und Bilder, sondern auch über die Umsetzung. So sei zum Beispiel Kandinsky 2016 "frei"geworden, was bedeutet, dass bei Veröffentlichung keine Lizenzzahlungen mehr fällig sind. Das nutzen natürlich alle einschlägigen Verlage, KV&H jedoch präsentiert die Werke des Malers im hochformatigen Kalender lackiert auf schwarzem Grund, schon auf den ersten Blick ein Genuss. Der besondere Dreh bei der Präsentation, auf den komme es an und den müsse man finden, sagt die Verlagsleiterin. Allein 80 Mitarbeiter sind dafür in Unterhaching beschäftigt, Redakteure, Mediengestalter, und noch einmal 20 in Dortmund, wo die Redaktion von Harenberg sitzt. Für Ute Hammer heißt das pendeln - eine Woche Unterhaching, eine Woche Dortmund.

Wer denkt, Kalendermachen sei gemütlich, weil man ja ein Jahr Zeit dafür habe, der irrt. Es gelte, ständig neben der Produktion den Zeitgeist zu erfassen, oder wie es Ute Hammer noch genauer ausdrückt: "Im Grunde müssen wir immer davor sein." Als man zum Beispiel den Erdmännchenkalender plante, da habe es noch kaum genügend Fotos von den Tieren gegeben, dann aber seien auch die andern mit dem Thema auf den Markt gekommen. "Manchmal liegt eben etwas in der Luft", sagt Hammer. Um das herauszufinden, sei man ständig auf der Suche in allen Medien, in Magazinen, in sozialen Netzwerken. In einer immer komplexer werdenden Welt suche der Mensch beispielsweise nach Orientierung. "Die Kraft der Weisheit" heißt ein Kalender, den der Verlag dafür anbietet. Zu den entsprechenden Texten gibt es Übungen und auch Illustrationen, Nutzwert nennt Hammer das.

Noch in diesem Dezember findet die erste Runde für das Programm 2018 in Unterhaching statt, Brainstorming mit Zetteln. Dann wird laut Hammer gemeinsam überlegt, was man aus den Ideen machen kann. Reize setzen, heiße dabei das Stichwort. Und sehr bald werde auch eine wirtschaftliche Berechnung aufgestellt. Wichtig sei, das Zielpublikum genau zu definieren. Neben den Stammkunden, die oft schon auf einen bestimmten Kalender warteten, gelte es, neue jüngere Schichten zu erschließen und auch neue Vertriebsmöglichkeiten zu finden. Denn im klassischen Buchhandel schließe ein Geschäft nach dem anderen, damit fehle die Präsentationsmöglichkeit für Kalender. Bei nur drei Monaten Verkaufszeit vor Weihnachten ist das Geschäft sowieso sehr hart, weiß Hammer. Immerhin erkenne man schon jetzt, was 2016 nicht gehe - ein liebevoll gestalteter Kalender zum Thema Bienen etwa, was Ute Hammer doch ein wenig enttäuscht. Doch das kann passieren, wenn man der Zeit voraus sein muss.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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