Jugendarbeit:Zwischen den Fronten

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Ende der 1970er Jahre war die Suche nach einem Jugendzentrum der große Aufreger. Heute gibt es eine ganze Reihe dieser Einrichtungen im Kreis.

Von Clara Lipkowski, Freising

Es war der Aufmacher in der ersten Ausgabe der Freisinger Neuesten Nachrichten. "Am Freisinger Jugendzentrum scheiden sich die Geister" lautete die Überschrift am 3. Mai 1977. Hitzig wurde über die Zukunft der Freisinger Jugend debattiert und wo sie sich künftig treffen sollte. Denn der "Jugendclub" am Marienplatz stand vor der Schließung. Der Club war als "linksautonom" bezeichnet, als "Haschhöhle" geschildert und für "untragbar" gehalten worden und war schon 1976 ein wichtiges Wahlkampfthema bei der OB-Wahl gewesen. Ein Jahr später, 1977, sollte also ein neuer Treffpunkt für Jugendliche her, einer, über den die Stadt wachen konnte, nicht wie der am Marienplatz, den sich die Jugend erobert hatte.

Über das Wo lieferten sich CSU, SPD und FDP im Stadtrat mehrere Monate lang einen Schlagabtausch. Zur Debatte stand, ob und wie das alte Krankenhaus, genauer gesagt der Isoliertrakt an der Kölblstraße, umgebaut werden sollte. Die CSU wollte das Jugendzentrum in den Isoliertrakt integrieren, die SPD den Treff lieber aufteilen, in einen für die Jugendlichen und einen für Musikschüler. Die FDP schlug einen Architektenwettbewerb vor, um so zu einer Entscheidung zu finden. SPD-Stadtrat Helmut Weinzierl reagierte genervt und wollte schon aufgeben, weil die CSU mauere. Dazu kamen Proteste der Anlieger, die Lärmbelästigungen durch Partys und pöbelnde Jugendliche befürchteten. Im November kündigten Jugendliche an, auf die Straße zu gehen, um für ihre Belange zu demonstrieren, schließlich sollte der Jugendclub am Marienplatz zum Jahresende schließen und Ersatz war nicht in Sicht. Ein Jugendzentrum im weit vom Zentrum entfernten Schafhof einzurichten, lehnten sie ab.

An den Zwist noch gut erinnern kann sich Hans Neumaier. Er war 1976 mit 28 Jahren Freisings erster Stadtjugendpfleger geworden, um "aufzuräumen" bei den Jugendlichen und die Arbeit mit den jungen Leuten in geregelte Bahnen lenken. Frisch im Amt geriet er zwischen die Fronten. Von einigen Kommunalpolitikern wurde er "linker Ideologien" bezichtigt, wie die Freisinger Neuesten Nachrichten im Mai 1977 berichteten, so jemandem könne kaum Verantwortung übertragen werden, hieß es. "Damals wurde ich von beiden Seiten angegriffen", sagt der heute 69-Jährige. "Die Jusos meinten, ich sei der verlängerte repressive Arm der Stadt und die CSU hat mich als links abgetan." Das sei eine schwierige Zeit gewesen, geholfen aber habe ihm die Berichterstattung der Lokalmedien, weil er dadurch eine "zweite Stimme" bekommen habe.

Später im Jahr 1977 fand sich eine Lösung: Ein Förderverein nahm sich der Sache an, der Trakt im Krankenhaus wurde renoviert, das Jugendzentrum konnte 1979/80 einziehen und ist bis heute an der Kölblstraße zu finden. Neumaier arbeitete bis 1985 an Ferienprogrammen, organisierte den Spielbus, kümmerte sich um die Spielplätze, Hausaufgabenbetreuung, die Integration türkischer Jugendlicher und Übersiedler aus der DDR. "Wir hatten einen unglaublichen Zulauf", sagt er, "wir waren Ansprechpartner, egal, wo es Probleme gab, auch bei der Lehrstellensuche. Wir haben die jungen Leute beim Erwachsenwerden begleitet." Und wenn das Zentrum um 22 Uhr schloss, ging es gemeinsam "rüber zum Ratschen" ins Abseits.

Hartmut Fischer, der vormals Neumaiers Praktikant war, übernahm 1985 die Stelle des Freisinger Stadtjugendpflegers und ist es bis heute geblieben. "Damals trugen die Jugendlichen Hippieklamotten, hatten lange Haare und hörten mehr Rock, Alphaville zum Beispiel", erinnert sich Fischer. "Richtig beliebt war unsere Disco, die ist heute völlig out." Die Probleme aber seien immer die gleichen gewesen, heute wie damals: Pubertät, Eltern, Schule.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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