50 Jahre Deutsches Patentamt:Patente Urteile

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Seit 50 Jahren gibt es in München ein Gericht. In Streitfällen entscheidet es über die Bedeutung von Erfindungen - auch wenn es einmal um die Wurst geht.

Michael Tibudd

Es sind eher ungewöhnliche Dinge, die hier in der Münchner Cincinnatistraße als Fachlektüre durchgehen. "100 Tipps für Traumhaare" verspricht eine Publikation, außerdem gibt es einen Blick auf "die In-Armbänder der Stars". Ungewöhnlich, weil die Ausgabe der Zeitschrift Bravo Girl, die mit diesen Themen um Leser werben will, nicht etwa beim Friseur ausliegt. Sie befindet sich in einer Bibliothek, in der sonst doch eher trockene Titel zu finden sind: Die Apothekenzeitung etwa, der Schuh-Kurier oder die Juristenzeitung. Vertreter der eigentlichen Zielgruppe einer Mädchenzeitschrift dürften dieses Exemplar also eher nicht in die Hände fallen.

Seit 1961 beurteilt das Bundespatentgericht auch, was eine schützenswerte Marke ist. Die Weißwurst schaffte es nicht in diesen Status. (Foto: lok)

Denn in dem Gebäude im Südosten Münchens gehen vor allem Menschen ein und aus, die mit Patentstreitigkeiten zu tun haben. Es ist der Sitz des Bundespatentgerichts, vor dem entschieden wird, ob bestimmte Ideen patent- , bestimmte Marken schutzwürdig sind. Eine große Bandbreite an Zeitschriften zur Verfügung zu haben, gehört dabei zu den Anforderungen der Patentrichter an ihren Arbeitsplatz

. Denn im Streitfall müssen sie sich ein Bild machen können, ob eine Marke nun schon länger als solche bekannt ist.

An diesem Freitag feiert das Bundespatentgericht sein 50-jähriges Bestehen. Bundespräsident Christian Wulff und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sind angekündigt zum Festakt in der Residenz, und sie werden die Bedeutung dieses ungewöhnlichen Gerichtes würdigen. Außergewöhnlich ist allein schon die Entstehungsgeschichte. Denn zu Beginn stand nicht etwa ein Gesetz, in dem geregelt war, dass Patentstreitigkeiten vor einem entsprechenden Gericht auszufechten seien. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg vielmehr Aufgabe des Deutschen Patent- und Markenamts, das seinen Sitz bereits in München hatte. Patentbeamte urteilten in dieser Zeit im Streitfall selbst in erster und zweiter Instanz über die Themen, die im Patentamt zuvor entschieden worden waren. Ein Anwalt aus Stuttgart wollte diesen Zustand nicht hinnehmen und klagte - heraus kam im Jahr 1961 das Bundespatentgericht als unabhängige Einheit.

Damit steht also ein juristischer Streit am Anfang der Geschichte des einzigen Gerichts in Deutschland, dessen Richter nicht in erster Linie Juristen sind. "Naturwissenschaftler sind hier vollwertig und gleichberechtigt mit Juristen", sagt Beate Schmidt, die seit 1. Mai Präsidentin des Patentgerichts ist. Sie sind sogenannte Technische Richter und haben als solche lediglich eine juristische Zusatzausbildung durchlaufen. Ihr wesentlicher Sachverstand liegt in technischen Disziplinen, was auch nötig ist - denn um technische Details geht es meist, wenn darüber zu entscheiden ist, ob eine Erfindung patentwürdig ist oder nicht. Das Bundespatentgericht wird dann angerufen, wenn Patentbeamte und Antragsteller sich darüber nicht einig werden. Nicht am Patentgericht verhandelt werden indes Streitigkeiten um Patentverletzungen: das ist Sache von Zivilgerichten.

Mit seinen 250 Mitarbeitern - etwa die Hälfte davon sind Richter - ist das Patentgericht dabei nur ein kleiner Teil der Patentszene in München. Nirgendwo in Deutschland wird so viel über Patente entschieden wie an der Isar. Zum einen sitzen sowohl das deutsche als auch das europäische Patentamt in München. Zum anderen haben sich gut ein Drittel der etwa 3000 deutschen Patentanwälte in München niedergelassen. "Man kommt hier eben leicht an die Ämter ran", sagt die Präsidentin der Patentanwaltskammer, Brigitte Böhm.

Nicht alle können dabei aus dem Heimvorteil Profit ziehen: So schmetterte das Patentgericht 2009 ein Begehren von Münchner Metzgermeistern ab. Sie hatten die "Münchner Weißwurst" als geografische Herkunftsbereichnung schützen lassen wollen - auch das eine Aufgabe des Patentgerichts. "Münchner Weißwürste" dürfen deswegen auch aus Brandenburg oder Polen kommen.

© SZ vom 01.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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