Interview zu Dietl-Film:"Ich mach' Regie, und du machst, was ich sage"

Towje Kleiner erinnert sich an seine Zusammenarbeit mit Helmut Dietl in der Serie "Der ganz normale Wahnsinn", die nun als DVD erscheint.

Karl Forster

"Woran liegt es, dass der Einzelne sich nicht wohlfühlt, obwohl es uns allen so gut geht?"

Das ist die zentrale Frage einer der schönsten Serien, die das Bayerische Fernsehen je produziert hat: "Der ganz normale Wahnsinn". Es war, nach den "Münchner Geschichten", die zweite TV-Serie von Helmut Dietl. Auch hier war Patrick Süskind maßgeblich am Drehbuch beteiligt. Und Helmut Fischer, einer der Helden der "Münchner Geschichten", spielte die dritte Hauptrolle.

Doch prägt ein Gesicht die zwölf Folgen dieses Wahnsinns: Towje Kleiner. Am 25. Januar kommt die Serie als DVD auf den Markt (Pixis/Sony BMG). Heute lebt der gebürtige Wolfratshauser Towje Kleiner am Tegernsee. Ein Gespräch über ein Stück TV-Geschichte, das vor 30 Jahren gedreht wurde.

SZ: Schaut man sich heute die Serie "Der ganz normale Wahnsinn" an, ist das eine Reise in die Vergangenheit. Man kriegt Sehnsucht nach diesen Zeiten.

Kleiner: Ich hab sie noch nie gesehen.

SZ: Wie, Sie haben Sie noch nie gesehen? Sie sind doch der Hauptdarsteller.

Kleiner: Ich habe nur damals beim Drehen die Muster gesehen und dann ein, zwei Folgen. Als Ganzes kenne ich das Werk noch gar nicht.

SZ: Das können Sie ja jetzt nachholen. Wie hat Dietl sie damals als Hauptdarsteller gefunden?

Kleiner: Der Helmut Fischer hat ihm schon bei der Vorbereitung geholfen. Die Besetzung stand eigentlich. Der Helmut Griem und die Senta Berger sollten das machen. Die Serie hieß ja am Anfang auch "Liebesgeschichten".

Trotzdem haben sie dann noch ein Casting gemacht, mit 80 bis 100 Schauspielern. Mit einer Szene aus der ersten Folge, da, wo die Socken so rumliegen. Ich war gerade im Kaffeehaus gesessen, da hat mich der Fischer gesehen und gesagt: Komm, wir machen das nochmal mit dir.

Ich hab das dann anders angelegt, ein bisschen schneller und so. Dietl hat sich über meinen Auftritt wahnsinnig amüsiert, die vom Bayerischen Fernsehen waren eher schockiert. Was das denn mit Liebesgeschichten zu tun hätte. Aber der Dietl wollte das dann mit mir machen, auch gegen diverse Widerstände der BRler.

SZ: Der Plot wurde dann von einer Liebesgeschichte in eine nicht funktionierende Liebesgeschichte umgeschrieben.

Kleiner: Nun. Das war nicht so schwierig für den Dietl. Es war ja ohnehin sein Leben. In Auszügen zumindest.

SZ: "Der ganz normale Wahnsinn" ist, anders als die "Münchner Geschichten", eine Beziehungsserie. Eigentlich geht es zwölf Teile lang nur darum, warum Sie als Maximilian Glanz und Mo Schwarz als Gloria nicht zusammenpassen. Nur der Helmut Fischer und die Barbara Valentin laufen fast durch alle Teile mit. Das ist schon kühn für eine Serie.

Kleiner: Dietl war damit seiner Zeit weit voraus. Man sieht ja auch gleich von den ersten fünf Minuten an, dass die Sache nicht laufen kann.

SZ: Apropos Dietls Lebensgeschichte: Mo Schwarz passte eigentlich perfekt ins Dietlsche Beutemuster.

Kleiner: Ja. Schon. Natürlich. Aber für mich war sie vor allem als Gegenspielerin ideal. Sie war nicht nur sehr hübsch, sondern auch eine wirklich gute Schauspielerin. Sie hat das alles mit mir gelebt. Die hat wirklich was drauf gehabt.

SZ: Wenn man so intensiv zusammen spielt, ergibt sich da auch ein wie auch immer geartetes privates Verhältnis?

Kleiner: Es wird Sie desillusionieren. Eigentlich überhaupt nicht. Wir waren Kollegen. Ich geh mal davon aus, dass sie, wie ich, das Beste wollte für die Serie. Ich war ja auch damals schon verheiratet und hatte zwei Kinder.

SZ: Die Mo nicht?

Kleiner: Nein, die nicht.

"Ich mach’ Regie, und du machst, was ich sage"

SZ: Hatten Sie die Möglichkeit, sich selber als Ideengeber einzubringen?

Kleiner: Also, der Dietl und ich kannten uns ja von den "Münchner Geschichten" (Kleiner spielte den Achmed, Anm. d. Red.) und waren auch irgendwie befreundet. Doch nach dem ersten Drehtag haben wir kaum noch miteinander geredet. Da war schon sehr viel Spannung drin. Aber wie heißt ein kluges Wort: Wir müssen einander nicht lieben. Wir müssen das Produkt lieben.

SZ: Helmut Dietl gilt ja nicht nur als super akkurater Arbeiter, sondern auch als Leuteschinder.

Kleiner: Das ist richtig. Ich bin da auch etwas als Träumer hineingegangen mit der Idee: Was wir als gut empfinden, als lustig, als komisch, das setzen wir jetzt um. Und dann kommst du da hin, und plötzlich ist alles anders. Da stehen dann hundert Leute, der ganze Apparat, und alle versuchen, was Neues zu erfinden, was gar nicht nötig gewesen wäre.

Da gab es dann ein paar Diskrepanzen. Ich erinnere mich: Ich sollte im Englischen Garten von links auf die Brücke kommen. Ich hab ihm gesagt: "Von links? Das ist nicht gut. Du wirst mich nicht sehen. Es dauert eine Stunde, bis die Pointe kommt. Das wird nicht komisch sein. Bist deppert? Das kannst nicht machen!"

Da hat er gesagt: "Halt dich da raus, ich mache Regie, und du machst, was ich sage." Aber er hat ja einen wirklich guten Geschmack. Und ein Gespür. Das hab ich nie unterschätzt. Doch ich habe ihm gesagt: Du brauchst auch einen Spiegel.

SZ: Maximilian liebt in der Serie Gloria ja. Warum kommt er damit nicht zurecht?

Kleiner: Er ist in sich ein kleines Kind geblieben. Und er weiß nicht, wohin im Leben. Das war natürlich alles vorgegeben in der Geschichte. Doch das Wie, das war mir überlassen. Das habe ich dann auch voll ausgelebt. Aber ich habe jedes Wort so gesprochen, wie es im Buch stand. Die Bücher waren ja gut. Und wenn was nicht gepasst hat, habe ich das gesagt. Dann haben wir das besprochen. Und wenn er's verstanden hat, dann hat er's geändert. Wenn nicht, dann nicht.

SZ: Einige Folgen waren schon ziemlich abgehoben. Vor allem die letzte. Die ist quasi ein Rückblick auf die Geschichte nach 30 Jahren. Also eigentlich von heute. Sie selbst werden in diesem Jahr sechzig. Haben Sie nicht ein bisschen Sehnsucht nach der Zeit von damals?

Kleiner: Nein, keine Sehnsucht. Ich höre immer, dass das Leben so schnell vorbei geht. Doch das geht gar nicht so schnell vorbei. Wenn man zurückschaut, dann ist schon viel passiert, in meinem Leben ganz besonders. Ich muss das nicht noch einmal leben.

SZ: Welche Bedeutung hatte die Serie für Sie, für Ihr Leben?

Kleiner: Die hat schon sehr viel für mich bedeutet. Sie war ja auch in Österreich ein Riesenerfolg. Dort habe ich dann 1988, also zehn Jahre danach, einen Vertrag unterschrieben und 13 Jahre für Bahlsen Werbung gemacht. Man muss sich das vorstellen: 13 Jahre ein Gesicht. Das war eine wunderbare Arbeit.

SZ: Und was machen Sie heute?

Kleiner: Ich mach jetzt mal Pause. Eigentlich schon seit 2001. Vielleicht halte ich das noch ein paar Jahre durch. Ab und zu bin ich in Israel und unterrichte.

SZ: Einige der Dialoge aus dem "Wahnsinn" sind Kult geworden, zum Beispiel der mit der kleinen gelben China-Dose. Haben Sie auch einen Lieblingsspruch?

Kleiner: Ja, den gibt es, er stammt aus der ersten Folge. Es ist eine Lebensweisheit: Man könnte leben, aber man lässt nicht. Will heißen, das Leben wäre leicht, wenn man sich gegenseitig leben ließe.

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