Interview mit Theo Waigel:Rechthabereien ohne Selbstzweifel

Lesezeit: 1 min

Kritische Rückschau auf '68

" Die Zeit damals war wie ein Stahlbad" vom 20. März:

Alte Männer haben, so scheint es, immer richtig gehandelt. Das erschließt sich aus dem, was Herr Waigel da von sich gibt. Selbstzweifel, Reflexion über das eigene Tun? Fehlanzeige. Dabei wäre das vielleicht durchaus angeraten, sich einmal selbst in Frage zu stellen. Der Interviewer tut sein Bestes. Herr Waigel ist sichtlich genervt. Vermutlich hatte er die Fragen vorher nicht schriftlich vorgelegt bekommen. So antwortet der Verteidiger demokratischer Freiheiten etwas gereizt. Das ist wenig souverän. Seine Rechthabereien sind ihm offensichtlich schon sehr wichtig.

Noch toller trieb es - auch in einem SZ-Interview - ein weiterer Verteidiger des Rechtsstaats. In ungefähr jeder Antwort auf Fragen hatte er - für den Leser gefühlt - recht, richtig gehandelt, war überhaupt im Recht, waren seine Gegenspieler im Unrecht, hatte er nichts falsch gemacht, war auf der richtigen Seite, war das,was die Gegenseite zu vermelden hatte, nicht richtig und so weiter. Dabei war er an so bahnbrechenden und segensreichen Projekten wie der Erbauung einer Fahrradspeichenfabrik in Wackersdorf entscheidend beteiligt. Die Oberpfälzer, so hatte die Regierung herausgefunden, hätten sie so dringend gebraucht. Arbeitsplätze und so. Das Blöde war nur: Die Oberpfälzer wollten die Fahrradspeichenfabrik gar nicht. Man wollte sie ihnen mit Hilfe der bayrischen Polizei sogar aufzwingen. Auch da noch stellten sich die Oberpfälzer stur und quer. Schließlich blieben ihnen die Segnungen einer Fahrradspeichenfabrik erspart.

Vor nicht allzu langer Zeit war Herr Gauweiler drauf und dran, einem Herrn Schottdorf ("Verdacht des bandenmäßigen Betrugs" laut Anklageschrift) in Augsburg zu seinem Recht zu verhelfen (Schottdorf wurde freigesprochen; d. Red.). Der Mann stand unter Verdacht der finanziellen Manipulation zu Ungunsten des Staates und der Krankenkassen und zugunsten von Ärzten. Polizisten, die den Fall untersuchten, wurden der "Verfolgung Unschuldiger" sowie der "uneidlichen Falschaussage" bezichtigt (und nach langer Zeit übrigens rehabilitiert, sie bekamen recht). Mittlerweile interessiert sich die Staatsanwaltschaft Augsburg wieder für die Firma von Herrn Schottdorf. Zwei alte Männer, die in ihrem Leben fast immer recht hatten, man glaubt es kaum. Ähnliches erlebt man nur noch in der katholischen Kirche.

Und: Wie recht doch die Demonstranten in Wackersdorf hatten! Klaus Holzschuher, Hof/Saale

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: